Es gibt so Tage … da entsteht ein Bilderbuch

Autor Heinz Janisch gibt Einblick in die Entstehung seines Bilderbuches "Es gibt so Tage": von der ersten Idee über die Zusammenarbeit mit der Illustratorin bis hin zur Rezeption durch die LeserInnen.

AutorIn: 
Heinz Janisch


Einer Frau vor mir an der Supermarktkassa fällt der Schlüssel runter. Dann die Geldbörse. Und auch noch ein Joghurt …"Es gibt so Tage, da fällt mir alles aus der Hand", sagt die Frau mit einem tiefer Seufzer. "Es gibt so Tage …" Ich notiere diesen Satz zu Hause auf einem Zettel. Der Satz klingt nach.

 

Welche Tage könnte es geben? Welche Tage wären spannend, vielleicht auch lustig für Kinder? Ich stelle mir ein Mädchen vor, das sich Tage ausdenkt.

 

Tage, an denen alle eine Kirsche auf dem Kopf haben. (Ich hatte gerade Kirschen gekauft.)

Tage, an denen alle Schatten bunte Farben haben. (Ich habe mich als Kind immer geärgert, dass ich immer einen schwarzen Schatten hatte, auch wenn ich mit einem roten T-Shirt auf die Straße lief.)

Tage, an denen sich alle küssen. (Im Supermarkt war mir ein verliebtes Pärchen aufgefallen, das sich intensiv geküsst hatte.)

Tage, an denen alle in den Himmel schauen. (Ich habe als Kind gern Wolken-Kino gespielt. Man schaut in die Wolken und erfindet kleine Gedichte und Geschichten im Kopf: Der Wolkenfloh muss aufs Klo. Der Wolkenhund ist kugelrund ...)

 

Es gibt so Tage, da wird einem eine Idee geschenkt. Man schreibt einen Text und geht damit zu einem Verlag.

 

Das Manuskript allein schaut noch nicht überzeugend aus. Jede Zeile beginnt gleich. Ob das genug ist? Ich zeige den Text der Illustratorin Helga Bansch. Die Idee gefällt ihr. Sie malt das Bild mit den Kirschen und mit den bunten Schatten. Jetzt kommt beim Verlag Freude auf. Das wird was! Das Mädchen soll immer im Bild sein, auch ihr Freund, der Stoffhase, und es braucht einen guten Schluss.

 

Ich schreibe: "Es gibt so Tage, da bleibt Merike einfach im Bett und denkt sich Geschichten aus." Das Buch soll eine Einladung werden, sich selbst Tage und Geschichten auszudenken. Das Buch erscheint im Verlag Jungbrunnen in Wien - und es wird ganz wunderbar aufgenommen. Bald gibt es Übersetzungen in andere Sprachen, es kommen neue Auflagen. Die einfache Idee funktioniert.

 

 

Ein Turnlehrer arbeitet mit dem Buch im Turnsaal: Es gibt so Tage, da geht man auf Zehenspitzen oder man macht weite Sprünge oder man geht rückwärts. Eine Musiklehrerein erfindet einen Tag, an dem man genau hinhören muss. Ein Kind schließt die Augen und die anderen Kinder machen Geräusche. Was hörst du? Was ist das? Da wird mit einem Strohhalm in Wasser geblasen, da knistert Seidenpapier, da klirrt ein Schlüsselbund. In Schulen entstehen Fortsetzungsbücher dazu, mit neuen erfundenen Tagen von Kindern und mit Texten in allen Sprachen, die in der Klasse vertreten sind.

 

Es gibt so Tage, da wird aus einer einfachen Idee ein Buch, das viele erreicht.

 

Literatur:

 
Heinz Janisch/Helga Bansch: Es gibt so Tage. Wien: Jungbrunnen 2001. ISBN 3-7026-5734-7
 

 

 

Zurück ...