Wozu barrierefrei?

Gesellschaftlicher Wandel und veränderte Bedürfnisse an Bildungsangeboten stellen an Bildungseinrichtungen neue Ansprüche. Das Recht auf Bildung haben alle. Menschen mit Beeinträchtigung sind aktive TeilnehmerInnen der Gesellschaft mit gleichen Rechten und Pflichten.

AutorIn: 
Verena Gangl


In Österreich leben 1,7 Millionen Menschen mit einer Form der Beeinträchtigung (Mobilitätseinschränkung, Sinnesbehinderung wie Sehbeeinträchtigung/ Blindheit oder Schwerhörigkeit/ Gehörlosigkeit, psychische Beeinträchtigung, Lernschwierigkeiten). Seit Österreichs Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und nationaler/ regionaler Aktionspläne zu deren Umsetzung kommt dem Recht auf Bildung und Weiterbildung von Menschen mit Beeinträchtigung ein immer größerer Stellenwert zu.

 

Barrierefreiheit in Bibliotheken gilt als eine der Voraussetzungen, um "Lebensbegleitendes Lernen" nicht nur für bestimmte Zielgruppen, sondern für alle zu realisieren. Gerade Bibliotheken ermöglichen es, durch ihre vielfältigen Angebote Teilhabemöglichkeiten zu erweitern. Auch die "hard facts" lassen sich nicht einfach beiseite wischen: Mit 1. Jänner 2016 müssen in Österreich alle öffentlich zugänglichen Gebäude barrierefrei sein. Dies gilt für Geschäfte, Restaurants, Hotels, Freizeitunternehmen, Kulturbetriebe und selbstverständlich auch für Bibliotheken – und dann gilt es bei Nicht-Realisierung dieser Gesetzesvorgabe im Klagsfall wegen Diskriminierung seitens des Bibliotheksträgers nachzuweisen, dass zumindest Anstrengungen unternommen wurden, um die Barrierefreiheit zu erhöhen.

 

Was bedeutet Barrierefreiheit?

 

Unter Barrieren versteht man

  1. Alle von Menschen gestalteten Erschwernisse, Einschränkungen und Hindernisse, die behinderte Menschen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (und die aus Sicht nicht-behinderter Menschen in der Regel nicht als Barrieren wahrgenommen werden)
  2. Hindernisse beim Zugang zu dem, was uns verhilft, ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben zu leben (z.B. Bildung)
  3. Barrieren können physischer/baulicher (z.B. Stufen ohne Handläufe, nicht markierte Türschwellen, fehlende Ausstattung wie eine unterfahrbare Ausleihe, fehlendes Behinderten-WC), sozialer (Vorurteile, bewusster Ausschluss), kommunikativer (falsches Kommunikationsverhalten) oder intellektueller Natur sein (z.B. Nicht-Wissen um „Einfache Sprache“).

     

Man unterscheidet daher zwischen

  • Baulicher / physischer (barrierefreie Erreichbarkeit / bauliche Zugänglichkeit der Räume)
  • Sozialer (Rolle des pädagogischen Personals, der TrainerInnen/Vortragenden) und
  • Kommunikativer Barrierefreiheit (Aufbereitung von Informationen, Materialien, Kommunikationsverhalten)

     

Eine barrierefreie Umwelt ist

  • für 10% der Bevölkerung unbedingt erforderlich
  • für 30% bis 40% notwendig und
  • für 100% der Bevölkerung komfortabel und einladend – auch Personen mit Kinderwagen oder einem Gipsbein profitieren von einem ebenerdigen Zugang etc.

     

Öffentliche Bibliotheken stoßen hinsichtlich Barrierefreiheit oft an ihre finanziellen (bauliche Änderungen, Budget für speziellen Medienankauf o.Ä.) oder persönlichen Grenzen (Stichwort Ehrenamtlichkeit, aber auch eigene Ängste, Vorurteile; Nicht-Wissen). In jedem Fall ist Barrierefreiheit für Bibliotheken ein Thema auch auf Träger-/Management-Ebene und muss die ganze Institution mit allen MitarbeiterInnen einbeziehen. Barrierefreiheit erfordert eine entsprechende Grundhaltung, die sich stark auf die Organisationskultur auswirkt. Schon kleine Maßnahmen wie eine ausführliche Anfahrts- und Wegbeschreibung auf der Website oder Lesebrillen können viel bewirken – 100%ige Barrierefreiheit bleibt wahrscheinlich ein anzustrebendes Ideal sowie die Arbeit am Abbau von Barrieren ein permanenter und ergebnisoffener, umfassender Veränderungsprozess von Organisationen ist. In jedem Fall sollte das Thema Barrierefreiheit in der Ausbildung der BibliothekarInnen verankert und mehr Weiterbildungsangebote und Informationen zum Thema entwickelt werden.

 

Barrierefreiheit beginnt nicht erst beim Eingang der Bibliothek – Barrierefreiheit beginnt im Kopf!

 

Maßnahmenplanung und Umsetzung (Auswahl):

  • Gebäude, Räume, Ausstattung: Weg zur Bibliothek – Hinweisschilder? Behindertengerechte Sanitäranlagen? Genug Bewegungsraum zwischen den Regalen? Behindertenparkplatz?
  • Bibliotheksangebot/Programm/Medienbestand: (einfach formulierte) Beschreibung über das Angebot der Bibliothek, über die Anmeldungsmodalitäten, Benutzerordnung? Wie und wo finden sich dazu Informationen? Gibt es jemanden, der Menschen mit Beeinträchtigungen helfen kann? Gibt es Kontakte zu geschulten ReferentInnen, zu anderen Einrichtungen? Hörbücher für blinde Personen, Literatur in einfacher Sprache? Gibt helle Räume, eine gute Beleuchtung?
  • Öffentlichkeitsarbeit: mit welchen Methoden? Ansprechperson für Barrierefreiheit? Wie sind Website und Flyer, Handouts etc. gestaltet (Schrift, Farben, Bildunterschriften, Kontraste Informationen)? Wissen Menschen mit Beeinträchtigung um das Angebot der Bibliothek?
  • MitarbeiterInnen: Umgang & Kommunikation, Haltung, Didaktik, Fort-u. Weiterbildung, Beschäftigung – arbeiten auch Menschen mit Beeinträchtigung in der Bibliothek? Wo könnten sich Kooperationen ergeben? Haben Menschen mit Beeinträchtigung überhaupt das Gefühl, dass sie willkommen sind?

     

Barrierefreiheit in Bibliotheken kann also im Detail vieles bedeuten – es geht nicht immer um große finanzielle Investitionen in einen Rampenbau o.Ä.:

  • Ein Medienservice für Menschen, die nicht außer Haus gehen können
  • Die Bereitschaft, LeserInnen mit Behinderungen kennenzulernen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen, sich mit ihren Bedürfnissen auseinanderzusetzen
  • Einen Link  auf der Website zu einer Video-Bibliothek für Gehörlose setzen
  • Aufmerksam die Bibliotheksumgebung nach Barrieren zu erkunden
  • Schwierige Texte in „Einfache Sprache“ umformulieren (lassen)
  • Drucksorten und Texte überprüfen auf Leserlichkeit und Schriftgrößen und Farbgebung, Lesebrillen anbieten
  • Website barrierefrei gestalten lassen
  • Ein freundliches Wort, eine einladende Geste…

 

 

 

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