Leseanimation "Am Ende der Welt traf ich Noah" von Irmgard Kramer

Bibliothek: 
BVÖ
Beitrag von: 
Institut für Jugendliteratur - kidlit medien GmbH
Idee nach: 

Tipps zur Leseanimation: LESERstimmen 2017. Der Preis der jungen LeserInnen. Wien: BVÖ 2017.

Beschreibung: 

Auf der Grundlage von Irmgard Kramers Kinderbuch "Am Ende der Welt traf ich Noah" hat das Institut für Jugendliteratur Tipps und Tricks zur Leseanimation erarbeitet.

 

In eine fremde Rolle schlüpfen

Geschlechterrollen-Tausch: Für diese Schreibübung bilden jeweils ein Mädchen und ein Junge eine Zweiergruppe. "Es war so verlockend: Die Möglichkeit, in eine fremde Rolle zu schlüpfen, lag direkt vor mir. Ich brauchte nur zuzugreifen." Stellt euch vor, ihr schlüpft nicht nur in eine fremde Rolle, sondern tatsächlich in einen fremden Körper, und noch dazu in einen Körper des anderen Geschlechts. Entwerft miteinander eine Szene, in der es zum plötzlichen Geschlechtertausch zwischen zwei Figuren kommt. Dann schreibt einen gemeinsamen Dialog der beiden Figuren: Wie reagieren sie? Wie gehen sie miteinander um? Was reden sie miteinander? Was passiert? Und was ist dabei möglicherweise typisch weiblich/typisch männlich? Gibt es das überhaupt?

 

Die Villa 

"Die Villa, in der sich Noah und Marlene begegnen, gibt es tatsächlich", schreibt Irmgard Kramer auf ihrer persönlichen Website. "In meiner Fantasie habe ich sie wesentlich größer gemacht, ein Hallenbad, eine Bibliothek und geheime Gänge und Tunnel eingebaut, die es nicht wirklich gibt, aber sonst sind viele Details, die in der Geschichte beschrieben sind, real zu bewundern." Auf der Website www.irmgardkramer.at/buecher/am-ende-der-welt-traf-ich-noah erzählt sie zudem über die historischen Hintergründe der Villa, die die Vorlage für den Schauplatz ihres Romans ist. Weiters findet man dort viele eindrucksvolle Fotos. Alles in allem tolles Hintergrundmaterial, um sich mit dem Buch näher zu beschäftigen und um darüber nachzudenken, was passiert, wenn sich Fantasie und Realität treffen.

Ausgehend von diesem Schauplatz bieten sich folgende Aufgabenstellungen für jugendliche LeserInnen an: Stell dir vor, der Verlag wünscht sich für eine weitere Auflage des Buches eine Skizze der Villa, die auf den Seiten des Vorsatzpapiers abgedruckt werden soll. Zeichne einen Bauplan der Villa (zum Beispiel den erweiterten Lageplan, den Grundriss, die verschiedenen Stockwerke) so, wie sie im Buch beschrieben wird. Suche im Buch gezielt Informationen über den Schauplatz der Villa. Vergleiche diese Beschreibungen mit den Informationen und Fotos auf der Website.

Versuche Antworten auf folgende Fragen zu finden:

Was sind die grundlegenden Unterschiede der realen und der Villa im Roman? Was hast du dir bei der Lektüre ganz anders beziehungsweise genau so vorgestellt? An welchen Stellen im Buch hättest du gerne mehr Informationen oder ausführlichere Beschreibungen des Schauplatzes gehabt? Was denkst du, wird von der Autorin (bewusst) nicht näher ausgeführt? Was bleibt offen beziehungsweise welche Leerstellen gibt es im Buch? Wie würdest du diese Leerstellen füllen?

 

Alles nur ein Traum?

Wer mit Jugendlichen über dieses Buch sprechen beziehungsweise mit ihnen zu diesem Buch arbeiten will, der kommt am überraschenden Ende nicht vorbei. Viele Fragen drängen sich nach der Lektüre unmittelbar auf: Wie konnte ich mich als LeserIn so in die Irre führen lassen? War tatsächlich alles nur ein Traum? Lässt sich das Erzählte im Nachhinein klar und eindeutig entschlüsseln? Gibt es so etwas wie eine "eindeutige Lösung" für das Geschehene? Irmgard Kramer bietet auf ihrer Internetseite eine "Traumdeutung" für ihre Hauptfigur Marlene und für Bilder und Symbole ihres Romans. Und damit viel Material für eine Gesprächsrunde.

 

Wer sich erzähltheoretisch mit diesem Roman auseinandersetzen will, kann ihn unter dem Aspekt des "unzuverlässigen Erzählens" analysieren. Daniela A. Frickel schreibt im Fachmagazin "1000 und 1 Buch" (Daniela A. Frickel: Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten oder wahrscheinliche Unwahrheiten? In: 1000 und 1 Buch, 1/2017) über Spielarten des unzuverlässigen Erzählens in Werken der Kinder- und Jugendliteratur: "Nach Matías Martínez und Michael Scheffel lassen sich drei Arten unzuverlässigen Erzählens unterscheiden: (1) Erzähltexte mit einem Erzähler, dessen theoretischen Sätzen wie bspw. Reflexionen und Kommentaren man keinen Glauben schenken kann, wenn man auch das von ihm erzählte Ereignis oder Geschehen für glaubwürdig hält. (2) Erzähler, bei denen nicht nur die theoretischen, sondern auch die mimetischen Sätze, d.h. Aussagen über Sachverhalte und Vorgänge in der erzählten Welt, als ‚falsch oder zumindest irreführend‘ erkannt werden. Während diese beiden Arten der Unzuverlässigkeit temporär sind, d.h. vom Leser im Verlauf der Lektüre eindeutig als unzuverlässig erkannt werden können, kennzeichnet sich (3) ,mimetisch unentscheidbares Erzählen‘ dadurch, dass der Leser bis zum Schluss nicht in der Lage ist zu entscheiden, welche Aussagen zuverlässig sind und welche nicht. ,Die erzählte Welt löst sich auf in eine Serie alternativer Versionen.‘ (Matías Martínez/Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie, München: Beck (9. Aufl.) 2012, S. 7)" Die grundsätzliche und spannende Frage für eine dahingehende Betrachtung der Werke lautet also: Wer täuscht wie, warum und mit welchem Ziel?

 

 

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