Raphaela Edelbauer bloggt: Literatur und Sport
Im vergangenen Jahr habe ich an einer Performance namens Literazah gearbeitet: Drei Stunden Gewichte heben gemeinsam mit einem Schriftstellerkollegen, während ein für diesen Anlass geschriebener Text über Körperkult und Bodybuilding rezitiert wurde. Wir mussten uns auf diesen Anlass eineinhalb Jahre vorbereiten, will heißen: tägliches „Pumpen“, Proteinshakes und Putenbrust mit weißem Reis – ein absurdes Unterfangen, beseelt von dem Wunsch, ein Lesungs- und Performanceformat der extremsten Stufe zu kreieren; eines, das die Leiblichkeit der Vorlesesituation so sehr steigert, dass es fast zur Persiflage gerät.
Wundersamerweise wurde mir von Künstlerkollegen nicht so sehr dafür mit Verwunderung begegnet, wie radikal die Veranstaltung ist, sondern dafür, während dieser Vorbereitungsperiode überhaupt Sport zu treiben – oder mir anzumaßen, gesund leben zu wollen. Würde ich denn etwa auch danach – also ganz unironisch – meinen Körper weiterbewegen wollen?
Jedes Aufheben eines Gewichtes wird dabei schon fast als Zugeständnis an eine gedankenlose, selbstoptimierende Fit-and-Fun Kultur verstanden.
Das Testosteron des Schriftstellers ist im Allgemeinen ja die Zigarette, sein Bewegungsumfang der Griff zum Maßkrug – das verrät uns zumindest die öffentliche Meinung. Vor Kurzem wurde mir bei einer Lesung erklärt: Wer nicht raucht, kann doch kein Künstler sein! Als Säulenheilige des leiblichen Niedergangs werden uns dabei Ernest Hemingway, Philipp K. Dick oder von mir aus Houellebecq präsentiert – meist, das heißt natürlich eigentlich immer, Männer, die ihren Körper konsequent niederwirtschaften, während sie dabei unablässig ihre damit einhergehenden Potenzprobleme thematisieren. Rausch als Voraussetzung der künstlerischen Arbeit verlangt als Zusatzmodule am besten psychische Probleme (mindestens Neurose oder gleichwertiges) sowie starken Selbsthass, der mit Exztentrik überschminkt wird.
Das Ideal dieser Stilisierung wäre wahrscheinlich eine körperlich geradezu zur Hülle geratene Gestalt, die beseelt vom Weltengeist statt von Muskeln und Sehnen ihre Abgründe aufs Papier wirft. Schreiben als Leiden. Körperlicher Selbsthass als Motor.
Denn die Analogie, die mir vorgehalten wurde, wenn ich (ohnehin schon verschämt und geduckt) zugab, dass ich auch in meiner Freizeit gerne Sport machte, war die folgende: Sport führt zu Fit-and-Fun-Mentalität, Fit-and-Fun führt zu Askese, Askese wiederum endet unweigerlich in plötzlich auftretender rechter Gesinnung (Volkskörper etc.) und plötzlich hat wie von Geisterhand der Marathon zu einer FPÖ-Parteimitgliedschaft geführt.
Das sind natürlich grobe Generalisierungen, die aber im Großen und Ganzen durchaus an das rühren, was uns im Vorfeld von Literazah vorgehalten wurde. Dass der Text gerade das thematisiert – dass der Rausch des Gewichthebens, des Niederspritzens mit Dopingmitteln und die Reduktion des Körpers auf ein Fetischobjekt nichts anderes ist, als der Inbegriff des Rausches, wurde von solchen Kritikern selten beachtet.
Oder, wie es im Text heißt:
Bodybuilder zu sein ist die radikalste Performance von allen, die die Echtheit und die Körperlichkeit bis zum Äußersten strapaziert.
Einen, also seinen Leib zu verändern, das heißt, seine eigenen Bedingungen durch das Heben von Metallstangen immer wieder neu zu ordnen, ist in seiner Authentizität nicht mehr zu übertreffen.
Auf der Bühne beim Mr. Olympia seinen Deltoidus zeigen, ist auch nichts anderes als das Cabaret Voltaire anno 1903; handlungsbetontes Sprengen ritualisierter Normen. Sich mit Steroiden bis unter die Schädeldecke zuzupumpen ist somit die ureigenste Ausdrucksform des Schöngeistigen.
Auf zum Pumpen!