Lydia Haider bloggt: Tage der deutschsprachigen Literatur 2017
1.
Alles hier ist immer so überbordend, irgendwie orgiastisch, ja exzessiv in seinem innersten Kern: die Gespräche, als wäre es morgen vorbei mit dem ganzen Sprechen auf ewig, die Literatur hochgedrillt auf ein Niveau, dass es nicht mehr höher gehen kann, die Kritik dazu ungeniert gekonnt gekonnt, und natürlich ein Saufen und Fressen, wohin der Mensch nur schaut.
2.
Weil wir das wissen, geht es auf zu den ersten Lesungen und genusssüchtelnd wird gelauscht und wie das schmeckt, ganz herzlich, und dann zum nächsten Gelage: Wir reichen die Flaschen im Bügermeisterinempfangsshuttle herum und schunkeln und singen auf die Literatur einen Lobpreis, hallo Vesper – es ist sehr ausgelassen, wie zu erwarten.
3.
Am nächsten Tag erneutes Lauschen der üppigen Literatur, und gut ist sie, sehr gut sogar, und dennoch ein bisschen weniger undiszipliniert, als die Literaturmeute sich verhält. Ja es geht schon wieder weiter, und da wird diskutiert. Und gesoffen dazu. Und vor dem Buffet tummeln sie sich zur nächsten Kost und es zuckt dann einer unvermittelt aus, obwohl die vielen Literaturmenschen das eigentlich gewohnt sind, dieses Maßlose beim Bachmannpreis, doch der eine schreit los und gestikuliert wild und fährt auf die vor dem Buffet Anstehenden und erschrocken sich Duckenden hin wie ein wilder Jesus, der den Unmäßigen ihre Sünden hinprackt, und er spricht zu ihnen: „So Leute wie ihr das seid, die verleiben sich alles ein, was ihnen vorgelegt wird, alles was sie finden, fressen sie, wie Sauen, denn so sind sie gemacht und kennen nichts anderes und daher sind sie auch so und werden nicht anders, das Leben von solchen wie euch Fressenden ist einzig aufs Fressen ausgelegt und wie ihr es dann tut und das Kauwerkzeug hochfahrt auf ein Niveau, als wäre es das letzte Mahl, als lebtet ihr nur vom Brot allein, doch das tut ihr natürlich nicht, ihr Essgeilen, triebgesteuerten Giermaschinen, die hineinschieben und reinbuttern, ohnmächtig, ihr futtermechanisches Gesindel, da gibt es keine Steigerung mehr zu so einer Ekelhaftigkeit, einem derartigen Esswahn, dem Geschiebe in die fetten und von Speichel triefenden Goschen, diesem usurpierenden Einführen der Häppchen und Röllchen und der Spießchen und Saucen, der Brötchen und Fleischis und Würstchen und dieses gesamten Buffets in einem Genuss, dass euch der Atem wegbleibt und ihr erstickt an euren Speisen, was euch sehr zu wünschen ist, damit auf Erden Ressourcen gespart werden und ein paar weniger von euch herumlaufen, damit die Spezialitäten und eure vielen Genussdinge dort bleiben, wo sie auch ursprünglich her sind, in den Meeren, in den Ställen, auf den Feldern etcetera.“ Und er hebt sein Glas und stürzt es in einem Zug hinunter, wischt sich über den Mund und schaut in das starrende Publikum ringsum, und dann wirft er ihnen das leere Glas hin, was ein paar leise Kreischer provoziert.
4.
Und die Spitze der Maßlosigkeit hier, der Hemmungslosigkeit in all ihren Facetten, sehen wir dann auf einem Blatt Papier, das am Boden liegt und worauf wir treten, gedankenverloren im nächsten Tun, als wir vom Gelese im ORF-Zentrum weg zum nächsten Treiben gehen, und wir heben das Blatt von der Erde auf und lesen, was denn da geschrieben steht, und es steht also auf dem Papier, tatsächlich heißt es darauf, in schön geschwungener Schrift: „Feßmann greift in ihren Interpretationen ins Klo bis ganz zum Anschlag runter. Geil.“
5.
Verleihung der Preise.