Didi Drobna bloggt: Die verurteilte Jury

Über die Jurytätigkeit und ihren Einfluss auf das eigene Schreiben

Es ist natürlich so, dass es im Leben von AutorInnen vor allem um das Schreiben und Lesen geht. Auch das Einreichen bei Literaturpreisen oder das Antragstellen für Stipendien kommen beizeiten als sicherlich vielseits beliebte Tätigkeiten hinzu. Dabei sind Literaturpreise und Stipendien nicht nur potenzielle Einnahmequellen, sondern schaffen auch Aufmerksamkeit für Projekte und schreibende Personen, vom Motivationsschub abgesehen, den so ein Juryurteil mit sich bringt. StipendiatIn PreisträgerIn: Hurra! Man könnte überhaupt argumentieren, dass die am häufigsten geschriebene Gattung vermutlich der Förderantrag ist. Denn es gilt die Faustregel: Wer nicht einreicht, gewinnt mal fix nix. (Die Ausnahme dieser Regel bilden die wenigen Literaturpreise, die ohne (Eigen)Bewerbung funktionieren, welche im Fall des Falles überraschend und wie von Gottes Gnaden daherkommen.)

 

Jedenfalls: Irgendwer muss diese literarischen Auszeichnungen auch vergeben. In den meisten Fällen handelt es sich hier um verständige mehrköpfige Jurys, die im besten Fall in Alter, Geschlecht und Tätigkeit innerhalb des Kulturbetriebs divers sind. KritikerInnen, JournalistInnen, VerlegerInnen, LektorInnen, BuchhändlerInnen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Nicht selten landen auch AutorInnen in dieser Riege.

 

Dieses Jahr hatte ich die Freude und Ehre in gleich mehreren Jurys sitzen zu dürfen. Bei zwei Literaturpreisen gab es sogar ein Upgrade im Schwierigkeitslevel, da diese nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sondern coram publico bei einem Wettlesen ihr Urteil tagten. Dabei ergab sich die Situation, dass ich meinen schreibenden KollegInnen in der Rolle der Jurorin, die über ihre Texte urteilen soll, begegnete. Eigenartig. Ich war nun eine von den anderen.

 

Dem Ganzen liegt ein interessantes Dilemma zugrunde: Als Autorin habe ich vollstes Verständnis für die Texte anderer Schreibender und zugleich auch wieder nicht. Ich weiß, wie schwer dieses Schreiben ist, wie frustrierend, wie undankbar. Stichwort undankbar: Juryarbeit ist undankbar. Oft wird für wenig Geld viel Zeit und Aufwand in das Lesen und die Auswahl von Texten aus mehreren hundert Einsendungen gesteckt, in den meisten Fällen wird ebenfalls eine wohlformulierte Laudatio verfasst. Bei öffentlichen Wettlesen sitzt die Jury zu all dem noch mehrere Tage am Podium und diskutiert die Texte vor Publikum und den FinalistInnen, idealerweise umsichtig und sachlich sowie klug und eloquent. Das geht ans Sitzfleisch und den Gehirnschmalz.

 

Nach nun zwei solchen Wettlesen stelle ich fest, dass obwohl die Jury in ihren Kritiken urteilt, am häufigsten doch das Juryurteil beurteilt wird. Nie können es die Damen und Herren PreisrichterInnen allen recht machen, es wird zu wenig gelobt, zu viel bemängelt. Zu wenig über dies, zu viel über jenes gesprochen und warum hängen sich alle nun an dem Punkt auf und das hier wird gänzlich aus dem Blick gelassen? Natürlich ist Geschmack subjektiv, aber über viele wesentliche Punkte – Aufbau, Inhalt, Stil – kann man sich durchaus auf einer objektiven, fachlichen Ebene verständigen und sogar einig werden.

 

Mein persönliches Resümee speist sich aus zwei Erkenntnissen. Eine wenig überraschende Einsicht: JurorIn sein ist wenig lustig. Eine wohl überraschendere Einsicht: JurorIn sein ist sehr lehrreich. Denn es schärft den Blick und verleiht Strenge, die hin und wieder einfach notwendig ist. Auch im Umgang mit den eigenen Texten. In diesem Sinne: Zurück an den Schreibtisch.

 

Gastblogger/in

© Barbara Wirl
© Barbara Wirl

 

Didi Drobna wurde 1988 geboren und lebt in Wien. Sie studierte Kommunikationswissenschaft und Germanistik an der Universität Wien. Ihre literarische Arbeit wurde mit mehreren Stipendien und Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit einem Drehbuchpreis des Österr. Drehbuchforums sowie dem Mira Lobe Stipendium für Kinder- und Jugendliteratur. Neben ihrer literarischen Tätigkeit lehrt Didi Drobna an der Universität für angewandte Kunst, hauptberuflich ist sie in der IT-Branche tätig. Ihr aktueller Roman "Als die Kirche den Fluss überquerte" erschien 2018 bei PIPER.

 

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