Angelika Reitzer bloggt: Über die Zusammenarbeit
Auf der diesjährigen Berlinale feierte der Kurzfilm „Im Schatten der Utopie“ seine internationale Premiere, der dritte Teil einer autobiographischen Familientrilogie der Künstlerin Antoinette Zwirchmayr. Ich habe für alle drei Kurzfilme, die im Lauf der vergangenen Jahre auf 16 mm gedreht wurden und gemeinsam „Woran ich mich erinnere“ heißen, die Off-Texte verfasst, die durchaus gleichwertig neben den eigenwilligen Filmbildern stehen: Aus der Perspektive der erwachsenen Künstlerin, der Enkeltochter und Tochter, aus dem Blickwinkel des kleinen Mädchens Antoinette in den 90er-Jahren. Die Zusammenarbeit am ersten Film hatte sich zufällig ergeben, auf Empfehlung einer gemeinsamen Bekannten. Wir redeten miteinander, stellten fest, dass wir miteinander „können“ und probierten es. Viele Gespräche, Nachfragen, Polaroids und Skizzen später gab es den ersten Text, viel zu lang für die rund zwanzig Minuten, die Regisseurin musste und durfte kürzen. Bei Teil zwei waren wir schon befreundet und hatten eine Basis, auf die aufzubauen eine geradezu schöne, vertraute und noch einmal interessante Aufgabe war. Den dritten Teil machten wir tatsächlich gemeinsam. Ich wollte sie überraschen, etwas ganz Neues musste hinzukommen, eine Wiederholung des (wie wir fanden) Gelungenen wäre zu wenig, um das Ganze abzurunden. Es war nach wie vor Antoinettes Geschichte und Film, aber jede von uns machte unabhängig von der anderen ihre Arbeit, die wir schließlich zusammenfügten.
Auch für die Regisseurin Jacqueline Kornmüller verfasse ich immer wieder Texte, die zu kleinen Monologen, Theaterstücken werden, mit einer Komponistin arbeite ich an der soziologisch-musikalischen Skulptur einer Gegend.
Ich liebe es, allein in meiner Kammer oder an meinem Schreibtisch zu sitzen. Eigene Texte gebe ich erst nach vielfachem Überarbeiten und Liegenlassen ersten LeserInnen und es gibt nicht sehr viele, deren Urteil ich an einem nicht publizierten Text akzeptiere. Aber in der Kooperation mit anderen, die mir ein Stichwort geben oder mir eine wichtige Frage stellen, die einen anderen Blick auf etwas werfen, das mich auch interessiert oder worüber ich bislang noch gar nicht nachgedacht habe, finde ich etwas, das ich mindestens so sehr brauche wie die Arbeit an einem immer neuen eigenen Text: Einen anderen Blickwinkel in meiner Nähe, natürlich das Betreten anderer Reiche und – für mich wohl das Allerwichtigste – die Konfrontation mit einer anderen, oft wirklicheren Wirklichkeit als die eigene (wie zuletzt die „Koffergeschichte“ über einen mir Unbekannten, der in der Notschlafstelle der Vinzirast übernachtete).
Nie ist Schreiben so sehr Kommunikation wie in der gemeinsamen Suche nach Themen, Alternativen, Lösungen, im Streit um Punkt und Komma. Und das brauche ich sehr und auch deshalb schreibe ich und kooperiere ich – bis es mir wieder reicht, und ich allein sein will, an meinem Schreibtisch, in meiner Kammer …