Warum ist das so?
„Googeln“ hat den Status eines Verbs, eines Tunwortes, erreicht. Während die einen googeln, erobern neun Monate alte LeserInnen ihr erstes Sachbuch aus Pappe. „Was kann das sein – Früchte?“ – Das ist ein Sachbuch von Yusuke Yonezu (minedition 2011), das mit den Erwartungen von Großen und Kleinen spielt, die Dinge real abbildet und danach verfremdet, Wissen vermittelt und mit dem Erlernten gleich darauf gezielt Unfug treibt. Eben war der Apfel doch noch ein Apfel und jetzt? Was ist das? Wie geht das? Warum ist das so? Lernen beginnt mit dem Augenblick der Neugierde, der ersten Frage und soll, so es gelungen ist, lebensbegleitend sein. Wie das Angebot an Sachliteratur eben auch.
Was ist ein Sachbuch?
Wer meint, dass die Fülle an Sachbüchern für jedes Alter mit einer klaren Definition des Begriffs einhergehe, irrt. Der von Herbert Ossowski bereits 2002 formulierte Befund hat auch 2013 noch Gültigkeit: „Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Sachbuch lasst sich bis heute der Fachliteratur nicht entnehmen. Immer wieder bleiben noch Fragen offen, bleiben Ungenauigkeiten bestehen.“ (1) Wer sich an Klassiker wie Jostein Gaarders Bestseller „Sofies Welt“ erinnert, wird sich auch noch daran erinnern, dass dieses Buch auf allen Hit- und Bestsellerlisten stand, aber erstaunlich selten als „Sachbuch – Philosophie“ angepriesen, ja überhaupt wahrgenommen wurde.
Die Sachliteratur zum Thema „Sachbücher für Kinder und Jugendliche“ zieht einhellig Bilanz: Einigkeit über „die Sache“ besteht nicht, Überschneidungen mit anderen Buchgattungen – Belletristik, Bilder- und aktuell Pappbilderbuch – machen eine exakte Definition unmöglich. Vielleicht aber auch unnötig? Verkehrte Welten, wenn genau dann, wenn es zur Sache geht, die Trennschärfe fehlt und nicht gefunden werden kann? „Nein“, meint u. a. Gabriele Grunt, die in ihrem Beitrag „Vergleiche zwischen Schnabeltieren, Stühlen und einer literarischen Gattung“ feststellt, dass das Stühlerücken in der Abgrenzung der Gattung bereits begonnen hat, „denn wie ‚Sofies Welt’ will eine immer größer werdende Anzahl von Büchern auf mehreren Stühlen gleichzeitig sitzen – eine Entwicklung, die durchaus gut zu heißen ist, weil sie es ermöglicht, neue und anregende Zugänge zu Sachwissen und zum Buch überhaupt zu finden.“ (2)
Wissen für jedes Alter
Damit Kinder lernen können – das gilt für Jugendliche und Erwachsene ebenso – brauchen sie klare Strukturen: in den Büchern, in den Regalen, in der Beschilderung. In der Stadtbücherei Innsbruck ist beispielsweise der Sachbuchbestand wie ein großes Sachbuch angeordnet, die Wissensgebiete sind nach der ÖSÖB (3) systematisiert und präsentiert. Fällt die Trennung zwischen Kinder- und Jugendsachbüchern leicht, so ist die Grenze zwischen dem Sachbuch für Erwachsene bzw. für Jugendliche häufig verwischt. Allgemein ergibt sich die Alterszuordnung der Sachbücher aus der Gesamtaufmachung; die fehlende Grenze zwischen Sachbüchern für Erwachsene bzw. für Jugendliche kann im Sinne des Austausches, der entsprechenden Präsentation genutzt werden: Erwachsene nutzen die Prägnanz und Kürze von Jugendsachbüchern fürs schnelle Informieren, zum Nachschlagen. Hier können die Großen viel lernen, schließlich sind Kinder durchlässig für die Fragen im Alltag: „Dann baut sich Schritt für Schritt Wissen auf, mehr als durch gelegentlich veranstaltete Experimente. Das Fragen in Fluss halten, lebenslang, das Suchen ist ansteckender als das Wissen.“ (4)
Wie es die Zielgruppe sieht? Anders natürlich!
Die Frage, nach welchen Kriterien sich Publikationen in „Sachbuch“ oder „Nicht-Sachbuch“ oder „Doch-nicht-ganz-Sachbuch“ einteilen lassen, ist ebenso offen wie die grundsätzliche Frage, was „Lesen“ an sich bedeutet, „nach wie vor einer differenzierten, theoriefundierten Klärung“ harrt. Diese Aussage trifft Margit Böck in ihrem Beitrag „Lesen als soziale Praxis“. So rechnen etwa 9- bis 10-jahrige SchülerInnen der Kategorie „Bücher, die etwas erklären“ durchaus auch erzählende Literatur zu. Böck stellt weiters fest, dass die 9- bis 10-Jährigen etwa auch „Tiergeschichten, Bücher über das Leben von Pop-Stars usw. der ihnen vorgegebenen Kategorie zuordneten.“ (5)