Schreib doch mal!

Der Schuleintritt steht für den systematischen Schriftspracherwerb. Doch bereits Kleinkinder begegnen in ihrem familiären Umfeld der Erzähl-, Lese- und Schriftkultur. 

AutorIn: 
Christina Repolust


„Unsere Gedanken schreiben wir mit einem gewissen, metaphorischen Wortschatz, der selbst aus einem aus Erfahrungen, Begriffen und Konditionierungen zusammengesetzten Alphabet besteht.“ (1)

 

Von Anfang an werden Kinder mit dem dem Phänomen „Schrift“ konfrontiert und wollen ihrerseits unterschiedliche Schriften erkunden beziehungsweise imitieren. Jede schriftliche Äußerung eines Kindes stärkt dessen Selbstbewusstsein, das Kritzeln ist das erste Schreiben und steht am Beginn von Kommunikation und gesellschaftlicher Partizipation.

 

Vom Kritzeln zum ersten Schreiben

Kinder imitieren ältere Geschwister und erwachsene Bezugspersonen in ihrem Schreibverhalten. Wenn sie malen, bringen sie die reale dreidimensionale Welt mithilfe von Pinsel, Kreiden oder Stiften zweidimensional zu Papier. So erfahren bereits Zweijährige, dass sie Papier falten oder beschreiben, also selbst gestalten können. Sobald sie die Buchstaben ihres eigenen Namens schreiben, versuchen sie, diese in einer Zeile anzuordnen, sie achten auf den Abstand zwischen den Worten sowie auf eine Aufteilung der Seiten, die ihnen gefällt. Kinder kombinieren dabei ihre Zeichnung, das Bild, mit Schrift, zumeist Druckschrift, und experimentieren mit räumlichen Dimensionen. Während Dreijährige noch Zeichnen und Schreiben als einen Vorgang begreifen, beginnt im Alter von durchschnittlich vier Jahren die Trennung der Formen in Bild und Text, also Schrift. Kinder, die schreiben, wandeln Laute, die sie selbst artikulieren oder in ihrer Umgebung hören, in Zeichen um. Das Gehörte wird so zu Papier gebracht. Beim ersten Schreiben des eigenen Namens lernen sie die Komplexität der Schriftsprache kennen, dabei notieren Kinder die einzelnen Buchstaben zumeist aus dem Gedächtnis. Wenn Kinder mit etwa dreieinhalb Jahren ihre Vornamen in einem konstanten Wortbild zu Papier bringen, erkennen sie die soziale Bedeutung des Schreibens. Sie signieren ihre Bilder mit ihrem Namen, zunehmend geraten die Buchstaben in gleicher Größe und auf einer Linie und in der orthografisch richtigen Reihenfolge.

 

Wann lernt man schreiben?

Entgegen früheren Erkenntnissen, die die Literacy-Entwicklung erst mit dem Schriftspracherwerb datierten, setzt man heute darauf, möglichst früh die schriftsprachlichen Kompetenzen der Kinder zu fördern: Kinder werden bereits lange vor dem Schuleintritt darin gefördert, Symbole, Zeichen und Zahlen zu verstehen und selbstständig anzuwenden. Diese Kompetenz entwickeln Kinder nicht isoliert, sondern stets in gesellschaftlichen Kontexten: Sie imitieren die Schreibprozesse der sie umgebenden Erwachsenen, sie schreiben „Mama“ oder „Papa“, um ihnen Freude zu bereiten. Frühe Alltagserfahrungen mit Schreiben und Schrift, das Vorhandensein von Papier und Schreibmaterialien in ihrer Umgebung, fördert die Verankerung der sprachlichen Entwicklung im Alltag, also auch in der Öffentlichen Bibliothek. Dabei spielt das Sammeln der Schreibversuche – in Bild und Schrift – der Kinder eine wichtige Rolle für deren Kompetenzentwicklung. 

 

Schreiben nach Gehör

„Schreibe wie/was du hörst!“ Schreiben nach Gehör setzt voraus, dass Kinder Laute richtig hören und in der Folge segmentieren, also Lautkombinationen in Einzellaute zerlegen können. Die so genannte Anlauttabelle enthält die wichtigsten Laute der deutschen Sprache, jeweils mit einem passenden Bild illustriert: A wie Apfel (Abbildung eines Apfels). Diese Methode des so genannten „Freien Schreibens“ hat Kritiker wie BefürworterInnen: Wer schreibt, wie er und sie hört, achtet in erster Linie nicht auf die Orthografie. Die Regeln der Rechtschreibung werden daher als wichtige Ergänzung zum Schreiben nach dem Gehör vermittelt.

 

Freude am Schreiben

Untersuchungen zeigen, dass die Schreibmotivation der SchülerInnen im Laufe ihrer Schulzeit abnimmt. Schreibwerkstätten wirken dem dann entgegen, wenn die SchülerInnen die Funktion und Wirkung ihrer Texte erkennen, wenn die im Unterricht gestellten Schreibaufgaben in bekannte kommunikative Kontexte eingebettet sind. Schreiben setzt wie das Lesen Dialoge in Gang: Leserunden in den Klassen, Lesungen aus Schreibwerkstätten oder AutorInnen als Gäste und Begleiter in Schreibwerkstätten in Schulen motivieren stärker als das Schreiben an nur einen einzigen Adressaten, die jeweilige Lehrperson.

 

Bibliotheken bieten die passende Schreibumgebung, können mit zeitlich begrenzten Schreibwerkstätten Anreize schaffen, dass Kinder und Jugendliche ihr Selbstverstrauen und Selbstbild als TextproduzentInnen stärken und ihre Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, die gestellte Aufgabe angemessen lösen zu können, erhöhen.

 

Anmerkungen: 

(1) Erwin Wagenhofer, Sabine Kriechbaum & André Stern: alphabet. S. 10.

 

Literatur:

  • Marie Luise Rau: Literacy. Vom ersten Bilderbuch zum Erzählen, Lesen und Schreiben. Haupt Verlag 2009.

 

 

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