Mit Worten malen

Bibliotheken sind behagliche Orte zum Lesen und inspirierende Plätze zum Schreiben. Man muss sie nur für die außerschulische Lese- und Schreibförderung nutzen.

AutorIn: 
Christina Repolust


Wer schreibt, ordnet die Gedanken. Wer außerhalb des Deutschunterrichts in der Schule, außerhalb des Lehrplans, Angebote zum Schreiben erhält, kann viel über sich erfahren. Keine Angst davor, Rechtschreibfehler zu machen, kein starres Raster, wie eine Textsorte zu "funktionieren" hat, sondern vielmehr ein Bündel an Fragen an die Kinder, die zum Schreiben in die Bibliothek gekommen sind.

 

Schreibwerkstätten sind keine Konkurrenz zum Deutschunterricht, die LeiterInnen der Schreibwerkstätten sind keine Konkurrenz zur Lehrerin, sie machen vielmehr andere Angebote im Bereich der außerschulischen Lese- und Schreibförderung. Orthographische Fehler werden klarerweise von Erwachsenen korrigiert, bevor die Texte gedruckt und präsentiert werden: Hier geht es nicht um eine Überprüfung der Orthografiekenntnisse, sondern ums kreative Schreiben. Die, die immer s-Fehler macht, kann nämlich phantastisch erzählen. Manchmal traut sie sich nur nicht, denn sie hat ein bisschen Angst vor dem Rotstift. Klare Absprachen zwischen LehrerInnen und SchreibwerkstattleiterInnen erleichtern die Zusammenarbeit und entspannen die Kinder, um die es in erster Linie geht. Kooperationen sind keine Wettbewerbe!

 

Schreibimpulse

Wenn Kinder Geschichten erzählen, können Erwachsene diese für sie aufschreiben. Somit sind bereits die 6-Jährigen als SchreiberInnen in der Bibliothek gefragt: Groß wird alles Gesagte auf Packpapier-Bögen geschrieben.

 

Für 6-Jährige "Essen von A – Z"

Die 6-Jährigen nennen Lieblingsspeisen, z. B. Apfelkompott – das Wort wird groß notiert, auch Z wie Zimtschnecke wird eine Stunde später aufgeschrieben. Dann blättert die Leiterin/der Leiter der Schreibwerkstatt nochmals zurück zum ersten Begriff. "Apfelkompott, wie schmeckt das, kennt ihr eine Eigenschaft, die mit 'a' beginnt?" Das apfelige Apfelkompott, das arme Apfelkompott, ach so, die zittrige Zimtschnecke, sind schon notiert! Diese Blätter werden aufbewahrt, aufgehängt und im Zuge der weiteren Besuche der jeweiligen Klasse vervollständigt. Wäscheleinen und Wäscheklammern leisten hier gute Dienste.

 

Für 8-Jährige "Gegenstände erzählen Geschichten"

Da liegt ein großer, rostiger Schlüssel auf dem Tisch. Da liegt eine stinknormale Murmel daneben, die hat man selbst auch in der Hosentasche! Und da sogar ein Taschentuch aus Stoff, pfui, es scheint, gebraucht zu sein! Und was ist das? Ein U-Bahnticket, ein Bus-Fahrschein – na ja, auf jeden Fall ein Ticket halt. "Was glaubt ihr? Wer hat diesen Schlüssel gefunden? Vielleicht auf dem Weg in die Schule? Wer hat den Schlüssel verloren? Das ist doch kein normaler Schlüssel?" Mit diesen Impulsen kommen die Kinder miteinander über die Gegenstände ins Gespräch. Wer hat das Ticket, den Fahrschein verloren? Ist die Person verschwunden? Ist sie vielleicht entführt worden? Die Gegenstände beginnen, die Richtung der Geschichte – Gruselgeschichte, Detektivgeschichte – vorzugeben, die Kinder suchen sich den für sie interessantesten Gegenstand aus. Ach so, das Taschentuch will keiner? Na ja, war ein Versuch, es war wirklich nicht benutzt!

 

Für 9- bis 10-Jährige "Es war dunkel und ich ging …"

Kinder können sich dabei als Heldinnen und Helden selbst erfinden: Wo ging ich hin? War ich allein? Wieder steht am Beginn das gemeinsame Gespräch über die Möglichkeiten, die der Impuls bietet: Ging ich in den Wald? Ging ich weit weit weg? Ging ich in die Küche und machte mir ein Wurstbrot?

 

Welche anderen Zeitwörter kennen die Kinder außer "gehen" und wie fühlt es sich an zu "schleichen", zu "tappen", zu "humpeln"? Was bedeutet "waten", wie trampelt eine und wie huscht der andere? Wortschatzerweiterung mit den entsprechenden Bewegungen eröffnen neue Möglichkeiten, Bewegungen zu beschreiben. Ebenso viel Freude macht Kindern das Nachdenken darüber, wie sich fühlen, wenn sie "hungrig", "glücklich", "wütend", "traurig" etc. sind.

 

Empfehlung: "Heute bin ich" von Mies van Hout sowohl als Bilderbuch als auch als Kunstkarten-Set (aracari verlag 2012)

 

Tipps:

Kinder unterstützen einander, indem sie auf die Texte der MitschülerInnen reagieren: Wenn die Kinder einander Textpassagen vorlesen, üben sich die anderen im kritischen Zuhören. War das spannend? Ab wann hast du dich gelangweilt? Was können wir gemeinsam ändern?

 

Wenn aus den Texten Publikationen werden sollen, braucht es auch den Präsentationsrahmen dazu: am Schulschluss, beim Bibliotheksjubiläum, in der Woche "Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek". Das verlangt ausreichende Vorlaufzeit und einen geduldigen Grafiker: Gute Texte verdienen gutes Layout. Inhaltsverzeichnis, Vorwort sowie ein Porträtfotos jedes Schreibenden heben den Wert der Publikation und die Freude aller Beteiligten.  

 

 

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