Bibliothek 60+

Bibliotheksarbeit mit Menschen der "Generation plus" trägt der demografischen Entwicklung ebenso Rechnung wie dem Grundgedanken des "lebensbegleitenden Lernens". Sie setzt auf Begegnung der Generationen, Vertiefung von Leseinteressen der Zielgruppe 60+ und zielt auf mobile Literaturversorgung der SeniorInnen mit eingeschränkter Mobilität.

AutorIn: 
Christina Repolust


Im Jahr 2050 wird rund ein Drittel der EinwohnerInnen Österreichs über 60 Jahre alt sein. Das biologische Alter sagt bekanntlich wenig über die psychische und physische Verfassung von Menschen aus: Viele werden noch berufstätig sein, manche sich gerade in einer Phase der Neuorientierung nach der Pensionierung befinden. Ob 60 dann das neue 50 sein wird, wie es schon heute häufig propagiert wird, sei hier dahingestellt. Das Postulat der Teilhabe von Menschen der Generation 60+ bis 100+ am politischen, sozialen und kulturellen Leben sollte aber bindend und Teil des Leitbildes einer öffentlichen Bibliothek sein.

 

Da zudem Nutzungsstatistiken verschiedener Bibliotheken belegen, dass die „Generation plus“ Bibliotheken weniger nutzt als andere Altersgruppen, sind Kooperationen mit Volkshochschulen und SeniorInnen-Verbänden, -WGs bzw. -Wohnheimen sowie Zielgruppenarbeit besonders gefragt. Es geht hier nicht um Angebote, die den Achtzigjährigen, der in der SeniorInnen-WG wohnt, ebenso erreichen wie die im Berufsleben durchstartende Mittfünfzigerin: Es geht um maßgeschneiderte Angebote, um qualitätsvolle Zielgruppenarbeit, die wie bei jeder anderen Zielgruppe öffentlicher Bibliotheken auch Rücksicht auf deren besonderen Bedürfnisse und Wünsche nimmt. Und davon als Einrichtung enorm profitiert.

 

Voneinander lernen

Wer mit dem PC, ebenso mit dem Tablet und mit elektronischen Unterhaltungsgeräten umzugehen weiß, erleichtert sich den Alltag, vielleicht sogar das Leben. Öffentliche Bibliotheken bieten in diesem Bereich verstärkt Services und spezifische Fortbildungen an. "Umgang mit dem OPAC" oder "Entlehnen per Mausklick" sowie spezifische Kurse wie "SeniorInnen aktiv – problemloser Umgang mit dem Computer" (angeboten beispielsweise von den Büchereien Wien) stärken die Kompetenzen der Zielgruppe und vermitteln zugleich Orientierung im Kosmos der öffentlichen Bibliotheken mit dem Ziel, die Autonomie der Benutzergruppe zu fördern. Dazu dienen auch Führungen durch die Bibliothek für die Zielgruppe, spezielle Interneteinführungen sowie der Hinweis auf audiovisuelle Medien wie Hörbücher, Hörspiele auf CD und Kassette sowie Großdruckbücher. Gleichermaßen wichtig ist die Einladung zur Mitarbeit in der öffentlichen Bibliothek: Lebenswissen und Zeitressourcen verbinden sich hier ja günstig, es ist belegt, dass Menschen, die aktiv in Gruppen und Organisationen sind, physisch und psychisch gesünder bleiben. Wichtig sei, so die AltersforscherInnen, in jedem Lebensalter die eigenen Kompetenzen einbringen zu können, ohne dabei unter- oder überfordert zu werden.

 

Erzählrunden, die von SeniorInnen für SeniorInnen ins Leben gerufen werden, sind nur ein Beispiel der Erzählkultur, die genauso gut intergenerativ sein kann: SeniorInnen erzählen Kindern und Jugendlichen, auch jungen Erwachsenen, von ihrem Erleben der Zeit-und Kulturgeschichte und präsentieren ihre Lektüre-Favoriten.

 

Der richtige Raum am richtigen Ort

Gemütlichkeit und Helligkeit sowie barrierefreie Zugänge sind Basics jeder Arbeit mit älteren LeserInnen. Bei Um- und Neubauten ist auf deren besondere Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet gut lesbare Signaturen, Autonomie beim Auffinden der gewählten Medien und nicht zuletzt auch Sicherheit, nicht in schlecht ausgeleuchteten Räumen zu stolpern.

 

Literaturkreise und andere Initiativen

Literaturkreise, die an die Leseinteressen der "Generation plus" anknüpfen, stärken das Image dieser LeserInnen, die mehr wollen als Bücher übers Erbrecht lesen. Sie erinnern sich gern an die Klassiker ihrer Kindheit und Jugend und können so die Lesebiografien ihrer Generation auch anderen LeserInnen, etwa Kindern und Jugendlichen, präsentieren. Dass sie ihre Lesekompetenz als VorleserInnen im öffentlichen Raum der Bibliothek oder als LesepatInnen in Schule und Bibliothek mit Kindern teilen, führt zu intergenerativen Projekten. Bei allen Aktivitäten ist bedeutsam, dass sie mit der Zielgruppe und nicht nur für die Zielgruppe entwickelt und umgesetzt werden.

 

 

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