Heute Abend male ich Zaubervögel

Ausmalbücher für Erwachsene sind ein Trend, der – zwar weder neu noch innovativ – eine analoge Form der Entspannung bieten will. Ein Einblick mit Selbstversuch.

AutorIn: 
Andrea Kromoser


Zwei Vögel sitzen auf einem Ast, sie bilden den Mittelpunkt eines, an ein Wappen erinnerndes, Konstruktes aus Blättern, Beeren, Zweigen, Blüten, Ästen und den beiden Tieren, die den Bildmittelpunkt einnehmen.[1] Dieser Illustration fehlt es (noch) an Farbe, genauer gesagt ist sie das Sujet eines Ausmalbildes, in Johanna Basfords "Enchanted Forest", das unter dem Titel "Mein Zauberwald" bei Knesebeck erschienen ist. Dieses Malbuch für Erwachsene ist der zweite Band einer Reihe, dessen erster Teil einen Hype auslöste. 2013 erschien mit "Secret Garden" ("Mein verzauberter Garten") ein Bestseller, der mittlerweile über 1,5 Millionen verkaufte Exemplare zählt.[2] Das dritte Malbuch "Lost Ocean" wurde 2015 publiziert.

 

Selbstgemachtes

Wenn auch bei Weitem die präsentesten, so sind die Malbücher der schottischen Illustratorin mitnichten die einzigen auf dem Markt der Entspannungs- und Beschäftigungsbücher für Erwachsene. Mit "Blumenmeer und Gartenzauber" knüpft der Verlag Ars Edition inhaltlich an Basfords Rankenschwünge an. Im Vergleich dazu wird hier jedoch nicht eine per Hand gezeichnete, mit so etwas wie einem Handlungsverlauf versehene Geschichte vorstrukturiert, sondern eine gemischte Sammlung unterschiedlichster Blumenmuster angeboten. Dabei zieht sich kein roter Faden durch eine selbst noch einzufärbende Fantasiewelt. Denn hier wird mithilfe der am Umschlag abfotografierten Deko- und Basteltipps ein anderer Zugang gewählt.[3] Das Ausmalen der Bilder dient plötzlich mehr als dem entspannenden Selbstzweck: nach Fertigstellung der Bilder können daraus Lesezeichen, Geschenkanhänger und Ähnliches gestaltet werden. Diese Auslegung des Ausmaltrends bekräftigt Felicitas Kocks: "Solche Bücher passen ganz gut zur Do-it-yourself-Generation. Großstädtern, die sich in Volkshochschulkursen beibringen lassen, wie man Honigbienen hält und Marmelade einkocht."[4] Eine Generation, der das Selbermachen bereits mit in den Wortlaut gelegt wird, ist auch Zielgruppe für einen Ausmal-Block, welcher den Trend zum Malbuch mit jenem der Verwendung von modischen Typografien für freche bis tiefsinnige Lebensweisheiten vereint. Was (ansonsten fertig koloriert) seit geraumer Zeit durch diverse Social-Media-Kanäle schwirrt, wird in "Lache, liebe, lebe" zum Selberausmalen bereitet. Spruch auswählen, anmalen, Blatt heraustrennen, rahmen und fertig ist das neue Wohnaccessoire! Beispielsweise: "Mir reicht’s! Ich geh jetzt schaukeln."[5] Oder ich male lieber doch weiter. In aller Ruhe und ohne an die weitere Verwendung der Seiten zu denken.

 

Entspannungstechnik

"Das Aufmerksamkeits-Malbuch" ist dazu bestens geeignet. "Die bezaubernden Szenen und anspruchsvollen Muster dieses kleinen Malbuchs sind perfekte Aufmerksamkeits- und Kreativitätsübungen mit beruhigender Wirkung."[6], verrät schon die Einleitung. Im Vergleich überzeugt dieses von Emma Farrarons illustrierte Büchlein durch seine weniger perfekten, sichtlich per Hand gezogenen Linien. Wellen, Muster, Blätter, Tiere und Blumen laden zu einer Anti-Stress-Reise ein; sofern es mich nicht stresst, dass sich mein Farbstift immer ordentlich hinter den vorgegeben Linie bewegen muss. Mehr Können ist dafür dann aber eigentlich gar nicht nötig. "Kolorieren erlaubt Kreativität ohne Begabung. Niemand wird mit einem weißen Blatt Papier allein gelassen, alles ist vorgezeichnet. Verlieren kann nur, wer über den Rand malt."[7]

 

Farbenwahl

Ronja Larissa von Rönne formuliert, nicht ohne zynischem Unterton, weshalb KulturpessimistInnen und SoziologInnen angesichts des Malbuchhypes sowohl den Niedergang der Literatur als auch den neo-biedermeierlichen Rückzug ins Private ausrufen müssten.[8] Die Autorin endet ihre Rezension jedoch mit einer eindeutigen Kaufempfehlung für das besprochene Malbuch. Aller bissigen Kritik zum Trotz, scheint auch sie der einen oder anderen Malbuchseite verfallen zu sein. – Denn: Ja, das Ausmalen von starren Strukturen und vorgegeben Flächen ist keine hohe Kunst, kein Appell an die Kreativität und das Ergebnis eines fertig ausgemalten Blattes ebenso wenig ein künstlerisches als kreatives Werk, entfacht aber durchaus einen gewissen, positiven Sog, dem ich mich für einige Abende kaum entziehen konnte. Mit viel gutem Willen könnte ich vielleicht mit der Wahl der Farbkombinationen eine kleine schöpferisch-originelle Aufgabe gelöst haben. Doch treffen hier wohl eher die Stimmen von KulturpessimistInnen zu: Ausmalbücher für Erwachsene lassen mich nicht mit Kunst befassen, sondern viel mehr mit mir selbst. Den soziologischen Überlegungen würde ich dabei schon eher folgen wollen. Weil mit bunten Stiften in der Hand, über die Seite eines Buches gebeugt, bin ich wahrlich wenig gesellschaftsfähig. Mein persönlicher Rückzug ins Private beginnt bereits mit der aufmerksamen Auswahl des auszumalenden Motives. Dann bin ich konzentriert, auf das Malen und auf die Wahl der Farben. Dass viele der Bilder wenig anspruchsvoll daherkommen, stört mich dabei kaum. Denn alles, was ich in diesem Moment möchte, ist Ruhe. Darin kann ich zwar, im Vergleich zu anderen mir Ablenkung und/oder Entspannung verschaffenden Freizeitaktivtäten, keinen Mehrwert erkennen, Nachteile jedoch ebenso wenig. – Für heute Abend jedenfalls werde ich mich für Rot-Rosa-Lila-Orange-Töne entscheiden. Denn jetzt male ich Vögel auf verzauberten Ranken.

 

Anmerkungen

[1] Vgl.: Johanna Basford: Mein Zauberwald. Ein magisches Papierabenteuer. 2. Aufl. München: Knesebeck 2015.

[2] Vgl.: Julia Röhr: Johanna Basford. Die Schwarzweißmalerin. In: Frankfurter Allgemeine Online vom 15. 05. 2015, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/johanna-basford-mit-malbuechern-fuer-erwachsene-zum-erfolg-13594196.html [29. 5. 2015, 14:23].

[3] Vgl.: Blumenmeer & Gartenzauber. Ein Blütentraum zum Ausmalen. München: Ars Edition 2015.

[4] Felicitas Kock: Kritzeln gegen den Stress. In: Süddeutsche Online vom 19. April 2015, http://www.sueddeutsche.de/stil/2.220/trend-malbuecher-fuer-erwachsene-kritzeln-gegen-den-stress-1.2434628 [29. 5. 2015, 15:05].

[5] Lache, liebe, lebe. Fröhliche Zitate zum Ausmalen, Verschenken & Dekorieren. München: Ars Edition 2015.

[6] Emma Farrarons: Das Achtsamkeits-Malbuch. Ein Anti-Stress-Vergnügen. München: Knaur 2015.

[7] Felicitas Kock: Kritzeln gegen den Stress.

[8] Ronja Larissa von Rönne: Malbücher für Erwachsene. Ist jetzt alles vorbei? In: Welt Online vom 14. April 2015, http://www.welt.de/kultur/article139509006/Malbuecher-fuer-Erwachsene-Ist-jetzt-alles-vorbei.html

 

 

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