Suchtvorbeugung mit Kinderbüchern

Suchtvorbeugung sollte schon im Kindesalter beginnen. Erwachsene und Bezugspersonen können einen essentiellen Beitrag dabei leisten, Kinder zu stärken. Auch Kinderbücher spielen dabei eine wichtige Rolle.

AutorIn: 
VIVID – Fachstelle für Suchtprävention


Sucht ist eine Krankheit und beschreibt die Abhängigkeit von legalen (Alkohol, Tabak) beziehungsweise illegalen Substanzen (Cannabis, Heroin) oder von Verhaltensweisen (Glücksspielsucht, Esssucht, Kaufsucht). Eine Suchterkrankung entsteht nicht von heute auf morgen. Sie entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, hat meist mehrere Ursachen und kann in verschiedenen Bereichen ihren Ursprung haben:

 

  • in der Persönlichkeit eines Menschen (mangelnde Selbstsicherheit, geringe Frustrationstoleranz)
  • in der Gesellschaft mit ihren Werten und Normen (was ist gesellschaftlich angesehen, was nicht, ab welchem Alter darf man rauchen, Alkohol trinken)
  • in der aktuellen Lebenssituation (Probleme, Stress, Arbeitslosigkeit)
  • beim Suchtmittel oder der süchtig machenden Verhaltensweise (Verfügbarkeit, Preis)

 

Suchtvorbeugung sollte so früh wie möglich beginnen. Gerade im Kindesalter werden die Weichen für spätere Verhaltensweisen und somit auch die Grundlagen für die Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Einflüssen gelegt. Für die Suchtvorbeugung gibt es zwei wichtige Ansatzpunkte: Einerseits gilt es, das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen möglichst gesundheitsförderlich zu gestalten. Beispiele dafür wären das Rauchverbot in der Gastronomie, ein abwechslungsreiches Freizeitangebot oder auch die Gestaltung von Kindergärten und Schulen. Andererseits, und hier kann jeder Erwachsene seinen Beitrag leisten, sollten Kinder in ihren Lebenskompetenzen gestärkt werden während gleichzeitig mögliche Risikofaktoren verringert werden.

 

Lebenskompetenzen erwerben

Doch was versteht man unter dem Begriff Lebenskompetenzen? Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, die einem dabei helfen, mit Problemen, schwierigen Situationen und Herausforderungen besser umzugehen. Das sind Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Umgang mit Stress, Kommunikationsfähigkeit oder Selbstwahrnehmung. Um diese Idee anschaulich zu machen, kann man das Modell des „Schutzschirms“ verwenden. Im Laufe unseres Lebens erwerben wir verschiedene Lebenskompetenzen oder Schutzfaktoren. Ähnlich einem Regenschirm, der uns vor Nässe schützt, bewahren uns diese Fähigkeiten vor so genannten Risikofaktoren. Schulische Probleme, negative Vorbilder oder fehlende Zukunftsperspektiven sind Beispiele für Risikofaktoren. Schutzfaktoren können die Wirkung von Risikofaktoren mildern und so vor einer späteren, möglichen  Suchtentwicklung schützen. Um sich mehr darunter vorstellen zu können, hier die wichtigsten Schutzfaktoren und wie man sie fördern kann:

 

  • Ich-Stärke
    Darunter versteht man die Selbstwirksamkeit (Vertrauen in die eigenen Stärken), das Selbstvertrauen (Vertrauen in das eigene Können) und das Selbst(wert)gefühl (Wer bin ich und wie gut kenne ich mich?) eines Kindes. Bezugspersonen unterstützen die Ich-Stärke, wenn sie die emotionalen Bedürfnisse eines Kindes ernst nehmen, Stärken fördern, Verantwortung übertragen und genügend Freiraum geben.
     
  • Umgang mit Gefühlen
    Kinder sollen lernen, Gefühle zu erkennen, sie zu benennen und entsprechende Möglichkeiten finden um sie auszuleben. Erwachsene sollen die Gefühle von Kindern ernst nehmen, selbst Gefühle zeigen und Vorbilder sein.
     
  • Frustrationstoleranz
    Dies ist die Fähigkeit, Enttäuschungen wegzustecken und Bedürfnisse aufzuschieben. Bezugspersonen sollen Kinder bei Misserfolgen ermutigen, sie Fehler machen lassen und vermitteln, dass Enttäuschungen nicht immer zu vermeiden sind.
     
  • Genussfähigkeit
    Genießen heißt, sich mit allen Sinnen auf etwas einzulassen, was gut tut. Die Fähigkeit etwas genießen zu können, hilft dabei zu entscheiden, was für mich als Person gut ist und was nicht. Bezugspersonen sollen Genuss aber auch Verzicht vorleben und Kinder nicht mit Spielzeug, Süßigkeiten oder anderen Konsumgütern überhäufen.
     
  • Kreativität und Aktivität
    Unter Kreativität versteht man die Fähigkeit, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Erwachsene sollen Freiräume schaffen, in denen es nicht um Leistung geht. Man muss Kindern die Möglichkeit geben, die Welt mit allen Sinnen aktiv zu erforschen und ihnen beibringen, auch Langeweile auszuhalten.
     
  • Körperbewusstsein
    Die Entwicklung des Körperbewusstseins geschieht durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt und wird Großteils in der Kindheit geprägt. Ein gesundes Körperbewusstsein bekommen Kinder, wenn sie unterschiedliche Möglichkeiten haben, den Körper zu spüren und zu erleben und gleichzeitig aufbauende Rückmeldungen aus ihrem Umfeld bekommen.
     
  • Soziale Kompetenz
    Darunter versteht man eine Vielzahl von Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, der Konfliktlösung und dem Verhalten von Kindern in einer Gruppe. Durch die positive Vorbildwirkung von Erwachsenen lernen Kinder einen wertschätzenden Umgang miteinander oder auch, wie man Konflikte konstruktiv löst.

 

Die sichere Bindung zu einer Bezugsperson von Beginn an ist entscheidend. Wenn sich das Kind sicher fühlt wird es spielen, entdecken, Angebote annehmen – und ist dadurch in der Verfassung zu lernen und sich Schutzfaktoren anzueignen. Wenn ein Kind heranwächst, gibt es immer wieder Situationen oder Erlebnisse, die Kinder besonders herausfordern (beispielsweise Streit in der Familie oder der Übergang vom Kindergarten in die Schule). Erwirbt ein Kind nach und nach Schutzfaktoren, so wirken diese als Puffer gegen negative Ereignisse. Schutzfaktoren führen nicht zu einer Verringerung von Risikofaktoren, aber sie erleichtern dem Kind den Umgang mit und die Verarbeitung solcher Erlebnisse. Stress und Probleme werden eher als herausfordernd denn als belastend erlebt, die Bewältigungsstrategien sind problemorientiert-aktiv statt vermeidend-passiv. Dieser gesunde Umgang mit Herausforderungen führt im Idealfall dazu, dass Probleme später nicht mit Suchtmitteln oder süchtig machenden Verhaltensweisen "gelöst" werden. Starke, selbstbewusste Kinder sagen "ja" zum Leben und "nein" zur Sucht.

 

Die Rolle von Kinderbüchern

Wird der Einsatz von Bilderbüchern mit dem oben besprochenen Modell des Schutzschirms und den dazugehörigen Schutzfaktoren in Verbindung gebracht, lassen sich Bilderbücher grob den unterschiedlichen Lebenskompetenzen zuordnen und sie helfen dabei, diese aufzubauen und zu fördern. Kinderbücher regen das Denken an, sie bieten Modelle für soziales Verhalten, sie sprechen das Gefühlsleben an, unterstützen das Verständnis für Werte und helfen bei der Entwicklung von Sprache und kreativen Fähigkeiten. Die gemeinsame Zeit, die Freude und Begeisterung beim gemeinsamen Lesen und Anschauen der Bilder, das Vorlesen beziehungsweise Zusammenfassen der Geschichten von Bilderbüchern schenkt Kindern ein beruhigendes Gefühl, gibt ihnen Sicherheit und stärkt die Beziehung zwischen VorleserIn und Kind. Bilderbücher lassen die Fantasie wachsen und schaffen Gesprächsanlässe. Durch ihre Geschichten liefern Bilderbücher Beispiele für verschiedene Verhaltensweisen, Konfliktlösungen und zeigen Wertvorstellungen auf.

 

Literarische Vorbilder wirken zudem identitätsstiftend und unterstützen die Entwicklung der Ich-Stärke. Unterschiedliche Gefühle angesprochen. Kinder können so ihre eigenen Gefühle besser zu verarbeiten.(1)

 

Die Kinderbücher, die es in der Fachbibliothek von VIVID – Fachstelle für Suchtprävention (einmaliger Mitgliedsbeitrag von 3,50 Euro, danach ist das Ausleihen von Büchern, DVDs und Zeitschriften kostenlos) gibt, werden speziell ausgewählt, um die Förderung von Lebenskompetenzen zu unterstützen. Zudem bietet VIVID – Fachstelle für Suchtprävention in der gesamten Steiermark zahlreiche kostenlose Fortbildungen zu dem Thema an.

 


Anmerkungen:

[1] Zwei Beispiele für den Einsatz von Bilderbüchern in der Suchtprävention finden Sie hier unter "Ideen zum Thema".

 

Literatur: 

  • Suchtprävention im Kindesalter. VIVID – Fachstelle für Suchtprävention, Graz 2009
  • Schutzschirm vgl. Landesstelle Suchtprävention Kärnten
  • Wie schütze ich mein Kind vor Sucht. Institut Suchtprävention OÖ, Linz 2007.

 

 

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