Veränderung im Alter – Vorlesen für SeniorInnen

Vorlesen ist nicht nur für Kinder unterhaltsam. Auch SeniorInnen mögen es, Erzählungen und Geschichten zu lauschen.

AutorIn: 
Rosa Kouba


Das Älterwerden ist für viele Menschen sehr unterschiedlich behaftet. War es in den 1990er-Jahren geprägt von der Vorstellung, das Alter sei eine sehr belastende, von Pflegebedürftigkeit abhängige Situation, so hat es mit dem zunehmenden medizintechnischen Fortschritt und der Bewusstseinsbildung der jetzt älteren Generation, sich um die Gesundheit zu bemühen, einen gewissen Wandel erfahren. Die Möglichkeit, in relativer Gesundheit älter zu werden, beweist die demographische Entwicklung. Männer erreichen ein durchschnittliches Alter von 78 Jahren, Frauen ein Durchschnittsalter von 84 Jahren. Trotzdem ist das Alter oft gekennzeichnet von Verlust an körperlichen, psychischen, geistigen und sozialen Fähigkeiten. Diese Veränderungen können sich in Einsamkeit, Langeweile, Isolation und Abhängigkeit von familiärer oder professioneller Hilfe zeigen. Daher ist älteren MitbürgerInnen ein gesellschaftliches Angebot sehr willkommen zum Beispiel in Form von Vorlesestunden oder Erzählrunden. Lesepatin/Lesepate kann jeder werden, der gerne liest oder vorliest, sich mit Menschen unterhält, jeder, der gut zuhören kann und Freude an Literatur, egal ob heiter oder anspruchsvoll, hat.

 

Einführende Fragestellungen

Zur Einführung in eine Schulung zur Lesepatin/zum Lesepaten sollten einige grundsätzliche Fragen speziell zum Alter gestellt werden. Die könnten wie folgt lauten:

  • Wie stelle ich mir mein Altern vor, wie stelle ich mich im Alter (80-90 Jahre) vor?

Welches Bild habe ich vom alten Menschen? Ab wann bin ich alt? Mit der Pensionierung oder später mit 80 Jahren? Alter ist nicht gleichzusetzen mit Krankheit, obwohl sehr viele ältere Menschen an Erkrankungen leiden.

Man spricht von der „Lebensqualität im Alter“.  Was kann man sich darunter vorstellen? Es ist ein Schlagwort, das für jeden Menschen etwas anderes bedeutet. Wesentlich für den älteren Menschen ist, dass ihm Wertschätzung entgegengebracht und sein Recht auf Selbstbestimmung anerkannt wird.

  • Welche Bedürfnisse haben ältere Menschen?

Neben der Erfüllung der Grundbedürfnisse des Menschen sehnen sich ältere MitbürgerInnen häufig nach Beschäftigung, Zugehörigkeit und Anerkennung – eine Vorlesestunde kann dies ermöglichen. Ältere Menschen möchten ernst genommen werden. Sie sind mitunter mitteilungsbedürftig, weshalb sie nach einer Vorlesestunde möglicherweise auch selbst eine Geschichte erzählen. Viele leben gerne miteinander statt nebeneinander. Durch Vorlesestunden in gemeinsamer Runde kann ein solches Miteinander geschaffen werden.

  • Wie verändert sich das Lebensumfeld im Alter?

Im Alter ändern sich oft die Lebensumstände. Häufig leben ältere Menschen mit fremden Personen, die sie betreuen, zu Hause. Oder SeniorInnen verlassen ihr zu Hause und ziehen in eine Pflege- und Betreuungseinrichtung (gewollt oder ungewollt) und brechen aus ihren Gewohnheiten heraus. Das kann sie unflexibel, ungeduldig und unsicher machen. Körperliches und psychisches Nachlassen verschiedener Fähigkeiten kann zu Nervosität führen. Als Lesepatin oder Lesepate sollte man sich dieser Thematiken bewusst sein und entsprechendes Einfühlungsvermögen mitbringen.

  • Welche altersbedingten Erkrankungen und Einschränkungen sind zu berücksichtigen?

Beim Vorlesen ist zu bedenken, dass ältere TeilnehmerInnen zum Teil an Erkrankungen leiden können, auf die Rücksicht genommen werden muss. Das können Seh- und Hörbeeinträchtigungen, körperliche Schwäche oder Aufmerksamkeitsstörungen sein. Im Falle von Demenz und der damit verbundenen Vergesslichkeit und Orientierungsstörung ist ebenfalls Einfühlungsvermögen der Lesepatin/des Lesepaten gefragt.

 

Vorlesen und Erzählen in einer Pflege- und Betreuungseinrichtung

Für das Vorlesen in einer Betreuungseinrichtung oder auch an einem anderen Ort – es ist fast jeder Ort möglich, zum Beispiel das Pfarrcafé oder die Bibliothek – sind bestimmte Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sollte ein ungestörtes Beisammensein ermöglicht werden. Störfaktoren wie etwa das Klappern mit einem Wäsche- oder Geschirrwagen, ständiges Hin- und Hergehen, laute Musik, TV oder Telefon sollten ausgeschaltet werden. In fast jedem Pflege- und Betreuungsheim lässt sich ein ruhiger Raum oder eine Nische finden. Die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Pflegepersonal ist wichtig. Wird im Pflegeheim gelesen, so soll es den Tagesablauf nicht stören, sondern gut in diesen integriert werden.

 

Mit ausgewählter Literatur z. B. Kurzgeschichten, Märchen, Sagen je nach Anzahl und Bildungsgrad der teilnehmenden Personen ergibt sich ein Gespräch oder eine Diskussion und man erfährt Lebensgeschichten, die das Vorlesen zur angeregten Plauderstunde werden lassen. Beim Vorlesen ist darauf zu achten, dass das Tempo, die Lautstärke und die Gesamtlänge des Textes keine Überforderung darstellen. Ein Wiederholen bestimmter Textzeilen, ein Innehalten und Pausen ermöglichen es den TeilnehmerInnen trotz möglicher Einschränkungen dem Text zu folgen. Die TeilnehmerInnen sollten eine gute Sitzposition wählen. Ein Rollstuhl ist grundsätzlich kein Sitzmöbel, sondern ein Transportmittel. Es gibt Ausnahmen – nämlich dann, wenn sich die Person selbst damit fortbewegt.

 

Unter Berücksichtigung einiger Hinweise und Tipps steht einer gelungenen Vorlesestunde für SeniorInnen nichts mehr im Wege.

 

Rosa Kouba ist Referentin im Rahmen von der Ausbildung für VorlesepatInnen „Ganz Ohr! – Faszination (Vor)Lesen" in der Steiermark.

März 2018

 

 

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