Selber lesen!

Nur dort, wo Interesse geweckt wird, wird erfolgreich gelernt. Es gilt also, die Neugierde der Kinder wachzuhalten, sie als WeltentdeckerInnen anzusprechen und ihnen so effektive Lese- und Lernstrategien zu vermitteln.

AutorIn: 
Christina Repolust


Den Bibliotheken kommt für die Zielgruppe „Volksschulkinder“ die Aufgabe der „außerschulischen Leseförderung“ zu –  das bedeutet, Interesse und Lust am Lesen, an Büchern, an AutorInnen, an Sprache und Sprachspiel zu wecken. Vielfältig sind die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Volksschulen und öffentlichen Bibliotheken beziehungsweise zwischen Schulbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken.

 

Lesen und zuhören

Der Schuleintritt markiert den Übergang von der Mündlichkeit – Erzählen, Fragen, Vorlesen und Zuhören – in die Schriftlichkeit: Ab ihrem sechsten bzw. siebten Lebensjahr lesen und schreiben Kinder selbst, werden dadurch autonomer und beginnen, auch selbstbestimmt zu lesen. Hier leisten öffentliche Bibliotheken für die Kinder und ihre erwachsenen Bezugspersonen viel, wenn sie für die Volksschulklassen zu fixen Zeiten Vorlesestunden anbieten: Damit knüpfen sie besonders für die ersten und zweiten Klassen an bekannten Ritualen an, steigern den Textanteil der vorgelesenen Bücher und erreichen damit auch Kinder aus Haushalten mit geringerer formaler Bildung. Die Vorlesestunden, die Lesenächte der öffentlichen Bibliotheken sind keine Schulstunden. Das macht sie zu etwas Besonderem im Kontext von Schule und Leseförderung. Es ist der Stabilisierung der Lesefähigkeit zuträglich, wenn Kinder auch weiterhin vorgelesen bekommen oder abwechselnd mit VorleserInnen Textteile lesen – egal, ob mit einem Tablet, einem Smartphone oder einem Buch.

 

Erstlektüre: spannend und gendergerecht

Öffentliche Bibliotheken bieten eine Vielfalt von Erst- und Leichtlesebüchern an, die nicht immer den Ansprüchen der Erwachsenen entsprechen. Nur: Für diese sind sie auch nicht geschrieben, sondern für LeseanfängerInnen, für die das Decodieren der Texte mehrheitlich harte Arbeit ist. Und die soll sich lohnen. Es ist daher sinnvoll, das Angebot bewusst auf Ausgewogenheit zu überprüfen: Beziehungs-, Tier- und Liebesgeschichten sind also ebenso vertreten wie Spannung, Abenteuer, Heldinnen und Helden.

 

Positives Selbstkonzept als LeserInnen

Sommerleseclubs, Lesenächte, Lesewochen, Lesepässe für die Schulkinder steigern deren Selbstkonzept als LeserInnen. Beim Sammeln diverser Stempel kommt es nicht auf die Seitenanzahl an, ein Buch ist ein Buch. Dass aber zugleich auch die Lesemenge gesteigert wird, ist der subtile Kern dieser Aktivitäten. Die PIRLS-Studie 2006 zeigt, dass 45 Prozent der 9- bis 10-Jährigen jeden oder fast jeden Tag außerhalb der Schule lesen, weil es ihnen Spaß macht. Dabei ist auffällig, dass diese Kinder mit Abstand am häufigsten informierende Bücher – „Bücher, die etwas erklären“ – lesen. Interessant ist, dass die Befragten hier nicht die klassischen Sachbuch-Genres meinen, sondern durchaus auch Erzählungen, die sie als informierend wahrnehmen. Diese Ergebnisse sollten dazu führen, einen zweiten Blick auf den Medienbestand und seine Zusammensetzung in öffentlichen Bibliotheken zu werfen.

 

Lesungen und Leseförderungsaktionen

Begegnungen mit AutorInnen beeindrucken. Im Gespräch können Schreibhintergründe nachgefragt werden, je nach Alter der Kinder unterschiedlich differenziert, aber immer spontan und ehrlich. Workshops mit IllustratorInnen, Schreibwerkstätten mit AutorInnen in der öffentlichen Bibliothek, auch in Kooperation mit der Volksschule, steigern die Selbstwirksamkeit der TeilnehmerInnen, bekräftigen ihr Selbstkonzept als LeserInnen und SchreiberInnen. Wenn die SchülerInnen der dritten und vierten Volksschulklassen als RezensentInnen der Bücher ihrer Altersgruppe gewonnen werden können, tritt der positive Peergroup-Effekt ein, ebenso als Kinder-LesepatInnen für die SchulanfängerInnen oder auch für Kindergartenkinder.

 

Gezielte Kooperationen mit den Volksschulen führen zur Entwicklung von Jahreskonzepten, setzen Jahresplanung im Veranstaltungsbereich und im Medienaufbau voraus. Bibliotheken sind kompetente Partner von Eltern und Schule, sie sind jener öffentliche Raum, in dem Kinder Freizeit verbringen, freiwillig zu Büchern greifen und die Bibliothek als System erforschen und begreifen können. 

 

Weiterführende Literatur

  • Eduard Beutner, Ulrike Tanzer (Hrsg.): Lesen. Heute. Perspektiven. Studienverlag 2010.

 

 

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