Ein Gedächtnis wie ein Elefant

Spätestens seit 1863 die ersten Bände von Alfred Brehms „Illustrierten Thierleben“ erschienen sind, begeistern Tiersachbücher. Gerade weil sie Fakten und Details von Lebewesen erzählen, die oftmals in weit entfernten Gegenden zuhause sind.

AutorIn: 
Andrea Kromoser


Das Novum an Brehms Buch, das in vielfachen Ausgaben Generationen begeisterte, waren dessen Schilderungen zur Lebensweise der Tiere, welche der Zoologe – auch mittels seiner Illustrationen – lebhaft darzustellen wusste. Viele aktuelle Sachbücher greifen wieder auf diese Form der bildlichen Kommunikation zurück. Fünf der sechs hier im Folgenden dargestellten Tiersachbücher für Kinder zeigen sämtliche Bilder ausschließlich in Form von Illustrationen. Im von Florence Guiraud gezeichneten „40 Tiere zum Aufklappen & Entdecken“ wird dem Bild jedes der Tiere eine ganze Seite gewidmet. Vor kräftig-orangefarbenen Hintergrund schreitet beispielsweise der Elefant einher. Die Illustration ist auf ein Klappelement gezeichnet, das in Form des Elefanten ausgeschnitten wurde und hinter welchem sich das wiederum bildhaft dargestellte Skelett des Elefanten befindet. Neben ausgewählten, pointiert formulierten Sachinformationen sticht vor allem eine fast nebensächlich erscheinende, jedoch raffiniert präsentierte Aussage über den Pflanzenfresser, als dessen Feinde der Löwe und der Mensch genannt werden, hervor. Nämlich der Hinweise auf die Redewendung: „Ein Gedächtnis wie ein Elefant.“ (1)

 

Der Vergleich macht den Rekord

Ideal für Menschen, mit einem sprichwörtlichen Gedächtnis wie ein Elefant, ist der Band „Eule oder Uhu?“ geeignet. Denn wer die hier dargestellten, zum Verwechseln ähnlichen „Paare aus Natur & Alltag“ unterscheiden kann, kennt die Antwort auf viele Fragen, die sich andere immer schon gestellt haben. – Worin liegt der Unterschied zwischen Eule und Uhu oder zwischen Heupferd und Grashüpfer? Warum sind sowohl Trampeltiere als auch Dromedare Kamele? Neben den Größenunterschied der Ohren können Leute mit Elefantengedächtnis den Asiatischen Elefanten zukünftig auch mittels dessen sogenannten Rüsselfingers vom Afrikanischen unterscheiden: „Der Rüsselfinger ist eine Art Verlängerung der Nase und der Oberlippe, der Afrikanische Elefant hat zwei davon, der Asiatische nur einen.“ (2) Auf den Rüssel mitsamt seiner 40.000 Muskeln beziehen sich auch Virginie Aladjidi und Emmanuelle Tchoukriel in ihrem Sachbuch zu Tierrekorden, das den Elefanten (neben dem Brüllaffen) als lautestes Säugetier der Welt nennt. Im Wettbewerb der Tiere nimmt dieser wiederholt in den vordersten Rängen Platz. So auch als schwerstes Landsäugetier: „Der Afrikanische Elefant wiegt etwa 6 Tonnen und damit genauso viel wie ein kleiner Bagger!“ (3) Absoluter Champion als das schwerste Tier aller Zeit ist jedoch der Blauwal, soviel sei aus der faszinierenden Informationsvielfalt dieses ästhetisch schön sowie klug gemachten Buches noch verraten.

 

Die Nähe ferner Lebenswelten

Grund genug um diesem wundersamen Meereswesen ein ganzes Bilderbuch zu widmen! – Jenni Desmond nähert sich dem Blauwal in eindrücklich illustrierten Szenen. So veranschaulicht sie beispielsweise das Luftholen des Blauwales auf einer Doppelseite. Aus dem hellen, wasserfarbenblauen Meerwasser taucht der nachtblaue Wal auf, dessen Körper einen Großteil des Bildes einnimmt. In sicherer Entfernung sehen einige Kinder von einem Boot aus zu. Sie sitzen jedoch nicht neben- sondern übereinander, Schulter auf Schulter und symbolisieren ein im Text erzähltes Detail: Wenn Blauwale „zum Luftholen auftauchen, atmen sie durch zwei nasenlochartige Blaslöcher aus und stoßen Luft bis zu 10 Meter in die Höhe – das entspricht einem Turm aus neun siebenjähren Jungen. Ein einziger Atemzug eines Wals würde ausreichen, um 2.000 Luftballons aufzupusten.“ (4) Mit Hilfe dieserart Vergleiche rückt die Welt des Blauwales der Lebenswelt an Land näher, die Künstlerin nützt das erzeugte Nahgefühl um auf die Bedrohung dieses Lebewesens durch den Menschen aufmerksam zu machen. Ein Anliegen, das auch Katie Cotton und Stephen Walton verfolgen. Deren Sachbilderbuch „Löwen zählen“ ist eine poetische Auseinandersetzung mit der Artenvielfalt bzw. mit bedrohten Lebensräumen, das zur genussvollen sowie achtsamen Lektüre lädt. „Fünf Elefanten unterwegs auf den staubigen Pfaden der Vergangenheit, wandern vom ersten Erdentag an, erwandern die Welt des Erwachsenseins und weiter hinaus, folgen den Pfaden der Mütter, die schon folgten den Pfaden der Mütter zu ihrer Zeit.“ (5) – Der Gedanke an ein Elefantengedächtnis liegt wiederum nahe. Auch Christine und Michel Denis-Huot bestätigen in ihrem Band (der durchgängig mit Fotos bebilderten, informativen sowie übersichtlich gestalteten Reihe) „Meine große Tierbibliothek“ das umfangreiche Erinnerungsvermögen dieser Tiere. Sie veranschaulichen, wie deutlich die älteste Kuh einer Elefantenherde ihr Revier kennt. „Sie weiß, wo es in jeder Jahreszeit die besten Plätze zum Fressen und Trinken gibt.“ (6)

 

  1. Judith Nouvion/Florence Guiraud: 40 Tiere zum Ausklappen & Entdecken. Aus dem Franz. v. Sarah Pasquay. Hildesheim: Gerstenberg 2016.
  2. Emma Strack/Guillaume Plantevin: Eule oder Uhu? Paare aus Natur & Alltag zum Verwechseln ähnlich. Aus dem Franz. v. Ingrid Ickler. München: Knesebeck 2016. S. 31.
  3. Virginie Aladjidi/Emmanuelle Tchoukriel: Riesen, Zwerge, Schwergewichte. Über 100 Naturrekorde. Aus dem Franz. v. Ursula Backhausen. Hildesheim: Gerstenberg 2016. S. 45.
  4. Jenni Desmond: Der Blauwal. Aus dem Engl. v. Sophie Birkenstädt. Hamburg: Aladin 2016.
  5. Katie Cotton/Stephen Walton: Löwen zählen. Tiere der Wildnis ganz nah. Aus dem Engl. Stuttgart: Freies Geistesleben 2016..
  6. Christine Denis-Huot/Michel Denis-Huot: Der Elefant. Aus dem Franz. v. Anne Brauner. In: Tiere der Wildnis. Stuttgart: Esslinger 2016 (Meine große Tierbibliothek). S. 15.

 

 

 

 

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