Nie zu klein für Bücher!

Für Bücher ist niemand zu klein! Baby- und Pappbilderbücher ermöglichen den Jüngsten einen gelungenen Start ins Bücherleben.

AutorIn: 
Andrea Kromoser


Ein Leben mit Büchern ist ein Leben mit und in Geschichten. Wer sich schon früh in ihnen wiederfindet und orientieren kann, wird die so gewonnenen Erfahrungen auch in der eigenen Wirklichkeit umsetzen und nutzen. Um die Beschaffenheit von Geschichten und Büchern kennen und lieben zu lernen, ist es nie zu früh! Dafür spricht auch die große Auswahl von Pappbilderbüchern für das Kleinkindalter am Buchmarkt.

 

Elementarbilderbücher: Ein einzelner Apfel erzählt eine Geschichte

In so genannten Elementarbilderbüchern werden zumeist einzelne Gegenstände in den Fokus gerückt. Beispielsweise kann ein in einem Baby- oder Pappbilderbuch ohne weiteren Zusammenhang abgebildeter Apfel dem Kleinkind bereits eine Geschichte erzählen: Erkennt ein Kind das hier abgebildete Ding als einen Gegenstand seiner eigenen Umgebung wieder, wird es diesen mit sich selbst in Zusammenhang bringen und mit Lauten oder ersten Worten begleiten. Das Kind sieht den Apfel und sagt: "Opa Apfel". Ein erster, verbal ausgedrückter Bildleseprozess ist damit vollzogen. Der im Bilderbuch illustrierte Apfel wurde vom Kleinkind mit eigenen Erfahrung bzw. Erinnerungen in Verbindung gebracht; das Kind erzählt in einem Zweiwortsatzes vom gemeinsamen Apfelessen mit dem Großvater.

 

Szenenbilderbücher: Aus vielen (Zu-Bett-Geh-)Szenen wird eine (Gute-Nacht-)Geschichte

Eine einzelne, symbolhafte Illustration kann – wie erläutert – ebenso Teil einer ganzen Geschichte sein wie kurze, einfache Szenerien, welche wiederum in so genannten Szenebilderbüchern in den Vordergrund rücken. Diese (Papp-)Bilderbücher bringen Bewegung in die davor zumeist statischen Illustrationen der Elementarbilderbücher. "Du kannst mit Hummeln schummeln oder mit Hummern schlummern."(1), erzählt beispielsweise der Text einer Doppelseite aus Nadia Buddes "Flosse, Fell und Federbett". In den beiden dazu gestellten Bildern sitzt der in einem Pyjama gekleidete Protagonist Karten spielend mit einer Schar von hämisch grinsenden Hummeln um einen Tisch, während dieselbe Figur am rechten Bild der Seite inmitten einiger, schlafend dargestellter Hummer friedlich schlummert. Die beiden klar voneinander abgegrenzten Illustrationen stellen deutlich nachvollziehbare Szenen dar (welche von der ebenso – durch den Reim – in Struktur gebrachten Sprache verstärkt werden). Nachdem der Held dieser Geschichte viele solcher, sich einander in der erzählerischen Herangehensweise ähnelnder Szenarien durchlebt hat, wird gegen Ende des Buches diese sich wiederholende Struktur aufgehoben. Letztendlich ruht der schon recht müde dreinschauende Protagonist friedlich in seinem Federbett.

 

In Peggy Rathmanns "Gute Nacht, Gorilla" (2) kann hingegen von friedlicher Nachtruhe noch lange nicht die Rede sein. Hier wird fast ganz ohne Text erzählt: ein sichtlich müder Zoowärter wünscht dem Gorilla "Gute Nacht". Während er diesem den Rücken zuwendet, stiehlt ihm der Gorilla seinen Schlüsselbund. Der Gorilla befreit sich und alle anderen Tiere aus den Käfigen. Heimlich begleiten die Zootiere den Wärter bis in sein Schlafzimmer, wo plötzlich – gleich nachdem die Frau des Zoowärters das Licht ausgeknipst hat – ein "Gute Nacht!" aus allen Ecken erklingt. Um die Geschichte – in alle ihrer Komik – erfassen zu können, wird bereits eine gewisse Bildlesekompetenz vorausgesetzt. Denn anstatt der eher lose aneinander gereihten Szenen bei Budde sind in Rathmanns Bildern das Erkennen und Erfassen von Details für das Verstehen des Zusammenhangs von Nöten. Als einzelnes, bedeutungstragendes Requisit fungiert hier der vom Gorilla vom Gürtel des Tierwärters gestohlene Schlüsselbund.

 

Wimmelbilderbücher: Die "ganze" Welt in einem Buch

Eine besondere Form der Aneignung der individuellen Umgebung und der Alltagsereignisse von Kleinkindern bieten die Wimmelbilderbücher der Illustratorin Rotraut Susanne Berner.3 Das oben anhand eines Apfels geschilderte Prinzip des Verknüpfens eines Bildes aus einem Buch mit der eigenen Realität wird hier zu einem komplexen Ganzen erweitert: In den detaillierten Bildern Berners können unendlich viele Geschichten entdeckt und damit unzählige Symbole und Szenarien aus der kindlichen Erfahrungswelt reflektiert werden. Die Welt der jüngsten LeserInnen wird mit jeder dieser erzählten und erfahrenen Geschichten – sowie mit jedem betrachteten Buch – ein kleines Stück größer und aufregender.

 

Anmerkungen:

(1) Nadia Budde: Flosse, Fell und Federbett. 7. Aufl. Wuppertal: Peter Hammer 2013. [Ohne Paginierung]

(2) Peggy Rathmann: Gute Nacht, Gorilla. Frankfurt am Main: Moritz 2006.

(3) Rotraut Susanne Berner: Frühlings-, Sommer-, Herbst-, Winter- und Nachtwimmelbuch. Hildesheim: Gerstenberg 2005 bis 2012.

 

Literatur:

  • Nicola Bardola/Stefan Hauck/Mladen Jandrlic/Susanna Wengeler: Mit Bilderbüchern wächst man besser. Stuttgart: Thienemann 2009.

 

 

 

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