Lieferung ab Hof
Angenommen, Sie entscheiden sich im Bioladen Ihres Vertrauens für ein Glas Senfgurken. Dann wird Sie vielleicht interessieren, woher Ihre soeben erworbenen Gurken stammen und wie sie wo gewachsen sind. Aus kinderliterarischer Sicht kommt als Senfgurken-Lieferant seit diesem Frühjahr eigentlich nur jener Hof in Hinterschweinsbach in Frage, der angeblich „die besten Senfgurken zwischen Wieselburg und Eferding“ (S. 12) liefert. In Michael Rohers Kinderroman „Frosch und die abenteuerliche Jagd nach Matze Messer“ (1) ist der Bauernhof die erste Station eines unglaublichen sowie verrückten Abenteuers, das seine Figuren mittels rasantem Erzähltempo bis zum Mond, wieder zurück und zu einer schaurig-schönen Party im Gruselschloss bringen wird. Zu Beginn jedoch dreht sich alles um die Gurke, wie Junior, der Sohn des Bauern, bei einem Rundgang durch sein Zuhause unmissverständlich klarstellt.
„Guad, oiso des“, hob er an und zeigte auf ein breites Beet voller Gurkenstauden, „des is unser Gemüsegoatn. Des san Schlonganguakn und de do, des san de, aus denen ma unsere berühmten Semfguakn mochan. Duat drübm, des is des Gwächshaus, do san a Guakn drin. Vuan, des san a Guakn und des do – jo Guakn.“ (S. 16)
Der Hof ist Wohnort, Zuhause, Arbeitsplatz und Produktionsstätte zugleich und jene menschlichen Figuren, die hier leben und arbeiten, sind ein fester Bestandteil österreichischen Landlebens, darauf lässt ihre umgangssprachliche Ausdrucksweise schließen. Damit sind auch bereits jene beiden Aspekte angesprochen, die im Folgenden ins Zentrum rücken: Erstens, die Charakterisierung jener Figuren, die am Hof leben und arbeiten und zweitens der Bauernhof als Herkunftsort von Lebensmitteln.
Menschen am Hof
Junior ist involviert, sein Vater betraut ihn damit, die neuen Gäste am Hof rumzuführen. Ebenso wie bei Michael Roher sind auch in Friedbert Stohners Text „Ich bin hier bloß das Schaf“ (2) gerade Ferien. Eine Zeit also, in welcher die Kinder gleich nach dem Frühstück nach draußen können. Senfgurken gibt es am Michlhof dabei zwar keine zu betreuen, dafür eine Vielzahl an Schafen, Kühen, Hühner und Enten, ein Schwein, eine Katze und den Hofhund Charly. Während die Tochter der Bauersleute, gemeinsam mit Charly und ihren Eltern aus dem Wald kommt, wo die vier erfolglos nach zwei auf mysteriöse Weise verschwundenen Lämmern gesucht hatten, war der Sohn alleine daheim am Hof „und der Bauer wunderte sich, dass Max nirgends zu sehen war. ‚Wollte der junge Mann nicht unbedingt Stallwache halten?‘“ (S. 81) In Magdalena Koziet-Nowaks Wimmel-Suchbilderbuch „Ein Jahr auf dem Land“ (3) sind die Kinder ebenso in das Geschehen vor Ort eingebunden. „Mein Zwillingsbruder Paul und ich haben auch schon kleine Aufgaben auf dem Hof. Ich schaue zum Beispiel nach den Hühnern – füttere sie und sammle die Eier. Aber wir haben auch immer Zeit zum Spielen.“, berichtet Maja Bauer am Vorsatzpapier, wo die Figuren des ansonsten textlos erzählten Bilderbuches vorgestellt werden. Auf fast allen der zwölf Doppelseiten, die durch die Jahreszeiten führen, wird Maja in unmittelbarer Nähe des Hühnerstalles dargestellt. So kann auf den Illustrationen verfolgt werden, was sie selbst zuvor erklärt. Mittels unzähliger Details bietet dieses Bilderbuch gut durchdachte Gesprächsanlässe, die sowohl das Leben der Menschen am Hof, deren Arbeit sowie die Thematik der Erholung bzw. des Urlaubs am Bauernhof, als auch die Lebensmittelproduktion betrifft.
Lebensmittel ab Hof
Luise kommt mit ihrer Mutter Rosi aus der Stadt zum Hof der Bauers. Deren Gründe für die Fahrt aufs Land beziehen sich auf den oben bereits angesprochenen Aspekt des Bio-Konsums: „In der Stadt habe ich ein Restaurant. Dort serviere ich Gerichte aus biologischen Produkten, die ich hier bei den Bauers kaufe. Butter und Käse sind einfach lecker, die Eier frisch, Obst und Gemüse gesund, und der Honig erst … einfach köstlich!“ Eine große Auswahl frischer Lebensmittel führt übrigens auch der Hofladen in Katrin Wiehles Pappbilderbuch „Mein großer Bauernhof“. (4) Die Bäuerin selbst verkauft hier beispielsweise Eier, welche sie einige Seiten zuvor im Hühnerstall aufgelesen hat. Diese – hier in blauer Arbeitslatzhose, gelben Stiefeln und Traktor fahrend dargestellte – Frau ist auch für die Milchproduktion und das Bedienen der Melkmaschine zuständig. Während in Miray Gysis Bilderbuch „Die Geiß, die alles weiß“ (5) per Hand gemolken wird. Die Schweizerin Gysi ist sowohl Illustratorin als auch Bäuerin – eine Frau, die ganz genau weiß, wovon sie erzählt! Dieses landwirtschaftliche Fachwissen legt sie im Bilderbuch ihrer aus der Ich-Perspektive erzählenden Geiß Ina in den Mund, welche die Lesenden durch die unterschiedlichen Stall-, Wirtschafts-, und Vorratsräume des Bauernhofes führt und dadurch einen Einblick hinter die Kulissen gewährt. Hier wird die Herstellung von Käse in wenigen Sätzen und Szenen auf nur einer Bilderbuchseite erläutert. Dort in der Räucherkammer erfährt Ina, dass Wurst aus Tieren, wie Kühe oder Schweine, gemacht wird und im Garten, dass manche Gemüsesorten unter und andere über der Erde wachsen. – Alles in allem ein sehr vorbildlich geführter Hof, das ist eindeutig! Also fragen Sie doch bei Ihrem nächsten Einkauf nach Ziegenkäse von der Geiß, die alles weiß und nach Senfgurken aus Hinterschweinsbach! Sie werden den Unterschied schmecken!
(1) Michael Roher: Frosch und die abenteuerliche Jagd nach Matzke Messer. Innsbruck: Tyrolia 2018.
(2) Friedbert Stohner/Hildegard Müller: Ich bin hier bloß das Schaf. München: Hanser 2018.
(3) Magdalena Koziet-Nowak: Ein Jahr auf dem Land. München: Ars Edition 2018.
(4) Katrin Wiehle: Mein großer Bauernhof. Weinheim: Beltz & Gelberg 2015.
(5) Mira Gysi: Die Geiß, die alles weiß. Zürich: Nord Süd 2018.
Andrea Kromoser ist Rezensentin für Kinder- und Jugendliteratur sowie im Rahmen ihres Erwachsenenbildungsangebotes „Familienlektüre“ als freie Workshopleiterin tätig.
April 2018