Wie wir lesen

Lesen ist eine Basiskompetenz und eine Grundlage für die Teilhabe an der Gesellschaft. Viele Kinder und Jugendliche in Österreich haben allerdings große Defizite beim Lesen – auch beim digitalen Lesen, das immer mehr an Bedeutung zunimmt. Öffentliche Bibliotheken spielen daher eine wichtige Rolle bei der Förderung von Lesekompetenz und Leselust.

AutorIn: 
Simone Kremsberger


Lesen ist ein Schlüssel zur Literatur, und Lesen ist ein Schlüssel zur Welt. Wer Informationen suchen, finden, verstehen will, wer an Gesellschaft, Kultur und Arbeitsleben aktiv teilhaben will, ist mit guter Lesekompetenz ausgestattet klar im Vorteil.

 

Lesestudien zeigen Defizite

Lesenkönnen ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Internationale Vergleichsstudien wie PIRLS und PISA zeigen, dass viele Kinder und Jugendliche in Österreich große Defizite beim Lesen aufweisen: 15 von 29 Teilnehmerländern der Volkschulstudie PIRLS (4. Schulstufe) schneiden im Lesen signifikant besser ab als Österreich. Die in PISA 2012 erhobenen Leseleistungen der 15-/16-jährigen SchülerInnen liegen unter dem OECD-Schnitt. 20 Prozent gelten als „RisikoschülerInnen“, die gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen können. Beim Lesen elektronischer Medien (Internet, E-Mails, Chats etc.) zeigen die SchülerInnen noch niedrigere Kompetenzen als bei gedruckten – dabei wird die Fähigkeit, elektronische Medien sinnerfassend lesen zu können, sowohl im schulischen und beruflichen als auch im privaten Bereich immer wichtiger.

 

Doch auch den Erwachsenen wird in Sachen Lesekompetenz kein gutes Zeugnis ausgestellt: Anlässlich der in 24 Ländern durchgeführten OECD-Studie "Programme for the International Assessment of Adult Competencies" (PIAAC 2011/12) erhob Statistik Austria erstmals Daten über Schlüsselkompetenzen bei österreichischen Erwachsenen. Demnach liegt die Lesekompetenz in Österreich – wie bereits bei PISA – unter dem OECD-Durchschnitt. 8,4% der ÖsterreicherInnen erreichen die höchsten Stufen der Lesekompetenz – ihr Anteil liegt signifikant unter dem Durchschnitt aller teilnehmenden OECD-Länder (11,8%). 17,1%, also fast eine Million Menschen, verfügen über nur niedrige Lesekompetenz und sind dadurch mit möglichen Benachteiligungen im Beruf und Alltag konfrontiert.

 

Hobby Lesen?

Lesen rangiert nicht unter den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen, wie die Zeitverwendungserhebung 2008/09 der Statistik Austria zeigt: An einem durchschnittlichen Werktag verbringen Österreicherinnen und Österreicher ab 10 Jahren im Durchschnitt 14 Minuten mit dem Lesen von Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften, am Wochenende sind es 18 Minuten. Zum Vergleich: Für Fernsehen und DVD-Schauen werden täglich 111 bzw. am Wochenende 144 Minuten aufgewendet. Auch unter Jugendlichen hält sich die Lesemotivation laut dem Nationalen Bildungsbericht 2012 in Grenzen: Nur 27 Prozent der 15-/16-Jährigen zählen Lesen zu ihren liebsten Hobbys. Für mehr als ein Drittel ist Lesen Zeitverschwendung.

 

Ein optimistischeres Bild zeichnet die Kids-Verbraucheranalyse 2013, die im Auftrag des Egmont Ehapa Verlags erstellt wurde. Demnach greifen 81 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 13 Jahren in ihrer Freizeit mindestens einmal wöchentlich zu einem Buch, 10 Prozent lesen auch elektronische Bücher. 82 Prozent lesen mindestens einmal in der Woche Zeitschriften und 75 Prozent Kindermagazine. Auch 81 Prozent der 4- bis 5-Jährigen nutzen einmal wöchentlich Bücher oder lassen sich vorlesen.

 

Um die Lesekompetenz der jungen Generation zu fördern und zu steigern, ist es nötig, an der Lesemotivation anzusetzen, passende Angebote zu machen und Freude an Büchern zu vermitteln – hier können sich öffentliche Bibliotheken ins Spiel bringen.

 

Leseverhalten im Wandel

Eine weitere Herausforderung für Bibliotheken liegt darin, auf das veränderte Medien- und Leseverhalten ihrer Zielgruppe zu reagieren. Digitale Medien erfreuen sich bereits bei Kindern großer Beliebtheit. Laut Kids-Verbraucheranalyse haben 78 Prozent der 6- bis 13-Jährigen einen Computerzugang, die Hälfte der über 10-jährigen Internet-UserInnen ist fast täglich online. 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen lesen elektronische Bücher.

 

Insgesamt spielen E-Books noch eine Nebenrolle in der Buchwelt, doch das elektronische Lesen gewinnt, wenn auch langsam, an Bedeutung. Schon Kinderbuchverlage experimentieren mit digitalen Formen, bieten E-Books und Bilderbuch-Apps an. Letztere können laut der Vorlesestudie 2012 der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Deutschen Bahn und der Stiftung Lesen als Ergänzung zu gedruckten Medien wesentlich zur Leseförderung beitragen. Der aktuelle „Kids and Family Reading Report“ des US-Kinderbuchverlags Scholastic betont ebenfalls die Positivwirkung von E-Books. Demnach liest jedes fünfte Kind mehr, seit es auf das digitale Format umgestiegen ist. Dass elektronische Angebote die Lesemotivation steigern können, besagt auch der Trendbericht Kinder- und Jugendbuch, der von der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen, dem Arbeitskreis für Jugendliteratur, der Stiftung Lesen und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels auf der Leipziger Buchmesse 2013 vorgestellt wurde.

 

Doch E-Reading ist für alle Altersgruppen interessant: Laut einer Umfrage des Hightech-Verbandes BITKOM vom März 2013 liest bereits ein Fünftel der Deutschen ab 14 lieber E-Books als gedruckte Bücher, wobei besonders die jüngere und mittlere Altersgruppe das elektronische Buch bevorzugt. Älteren Menschen fällt das Lesen auf einem Tablet-PC hinsichtlich des kognitiven Aufwands sogar leichter, ergab eine Lesestudie unter Federführung von WissenschaftlerInnen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Für öffentliche Bibliotheken ist es daher von entscheidender Bedeutung, das veränderte Medienverhalten widerzuspiegeln und ihren Leserinnen und Lesern mit entsprechenden Angeboten und Know-how entgegenzukommen.

 

 

Zurück ...