Bibliothek als Bildungspartner

Spricht man von der Zusammenarbeit von Bibliothek und Schule, heißt es oft, das sei ein alter Hut. Doch es mag die Frage erlaubt sein: Wissen die beiden Institutionen von den Möglichkeiten und Chancen, die in ihrer Kooperation liegen? Kennen die Bibliotheken die Bedürfnisse der Schulen, wissen die Schulen um die Kompetenzen der Bibliotheken?

AutorIn: 
Ute Palmer-Horn


Meist fällt in diesem Zusammenhang automatisch das Wort PISA. Seit 2000 werden die Ergebnisse der jährlich durchgeführten internationalen Schulleistungsuntersuchungen von der Politik und der Gesellschaft mit Spannung erwartet. Die erste PISA-Studie hat in Deutschland einen Schock ausgelöst – hat sich doch unter anderem gezeigt, dass es enorme Mangelerscheinungen bei Lesekompetenz, sinnzusammenhängendem Lesen und Konzentration bei den Kindern gibt. In diesem Zusammenhang kam auch die öffentliche Bibliothek ins Gespräch. Konnte sie sich doch als Partner der Schule profilieren, um LehrerInnen und SchülerInnen zu unterstutzen. Bereits 1995 initiierte die Bertelsmann Stiftung das fünfjährige Projekt „Öffentliche Bibliothek und Schulen – neue Formen der Partnerschaft“, an dem sechs bundesdeutsche Mittelstädte teilnahmen. In diesem Projekt entwickelten Schule und Bibliothek gemeinsame Strategien, um die Zusammenarbeit regelmäßig, sinnvoll und aufeinander aufbauend zu gestalten. Man könnte denken, die Vernetzung von Bibliothek und Schule sei inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden, weil die Vorteile klar auf der Hand liegen. Doch leider ist dies kein Flächenbrand geworden. Immerhin gibt es eine Spannbreite zwischen ersten auflodernden Funken und schon bestehenden „Leuchttürmen“.

 

Auch und gerade in der digitalen Welt der E-Medien und des Internets spielt die Lesekompetenz die tragende Rolle. Ist sie doch die Schlüsselqualifikation für Schule, Ausbildung, Beruf, Weiterbildung, Freizeit, persönliche Beziehungen. Ist es nicht möglich, sinnzusammenhängend zu lesen und Fakten zu erfassen, kann man weder Fachliteratur lesen noch sich effektiv im Netz bewegen. Nebenbei gesagt: Die Unterscheidung zwischen Print- und digitalen Medien, zwischen Fachliteratur und qualitativ hochwertigen Blogs und Lehrfilmen im Netz ist schon bei vielen (bibliotheksfernen?) Menschen nichtig.

 

Was kann der Bildungspartner Bibliothek?

Bibliotheken können und sollten (verzeihen Sie diesen „Zeigefinger“) sich als Bildungspartner von Schulen profilieren. Warum?

  • Sie bieten aktuelle Medien an, die weit über den Bestand von Schulbibliotheken (sofern überhaupt vorhanden) hinausgehen. Die Kinder können das finden, was ihnen Leselust bereitet. In der Schule müssen sie lesen, in der Bibliothek können sie die ganze Vielfalt der Medien entdecken. Kann die Schule den vielfaltigen Medienmix der Bibliothek bieten?
  • Die Bibliothek kann sich als außerschulischer Lernort präsentieren. LehrerInnen nehmen gern den Lehrplan unterstützende Angebote wahr, sie sind auch bereit, dafür mit der ganzen Klasse in eine attraktive und gut ausgestattete Bibliothek mit kompetentem und freundlichem Personal zu gehen.
  • Die Bibliothek kann Recherche- und Informationskompetenz anbieten, sie kann – auch für Schulen – den Zugang zu Datenbanken eröffnen und den Umgang mit ihnen demonstrieren.
  • Vorlesen entwickelt und fordert das Lesen am besten – die Bibliothek kann Angebote für Eltern und ErzieherInnen machen, sie kann auch helfen, Defizite im Elternhaus zum Teil abzumildern. Und damit einen Beitrag zur Chancengleichheit für Kinder leisten.
  • Letztendlich kann sich die Bibliothek ihre Zukunft, ihr Weiterbestehen sichern. Im kulturellen Bereich wird bei finanzieller Knappheit bei freiwilligen Leistungen der Kommunen schnell der Rotstift angesetzt, in den Bildungsbereich wird eher investiert.

 

Wie kann die Zusammenarbeit aussehen?

  • Möchten Bibliotheken erfolgreich mit Kindergarten und Schulen kooperieren, müssen die Angebote passgenau auf LehrerInnen und ErzieherInnen zugeschnitten sein. Erkennen diese den Mehrwert, werden die Angebote in der Regel sehr gern angenommen. Möglichkeiten gibt es viele, hier seien einige beispielhaft genannt:
  • Entwicklung eines Spiralcurriculums für die Schule: Welche Angebote stehen jeder Klassenstufe zur Verfügung? Idealerweise bauen die Angebote aufeinander auf, sind auf den Lehrplan und mit den LehrerInnen abgestimmt.
  • Nach wie vor Klassenführungen bzw. Bibliotheksbesuche: Diese sollten spielerisch und interaktiv gestaltet und auf die Klassenstufe abgestimmt sein. (1)
  • Angebote zu Medien- und Recherchekompetenz: Was sind die Alternativen zu Wikipedia? Welche verlässlichen Datenbanken gibt es?
  • Einbeziehung von älteren SchülerInnen: Mithilfe beim Bestandaufbau (z. B. Comics, Konsolenspiele), Erstellen von Konzepten für Klassenbesuche, Bildung von Fokusgruppen zu jugendspezifischen Themen in der Bibliothek (Einrichtung eines Jugendbereiches, Veranstaltungen etc.)
  • Bibliothek kommt in die Schule: Medienpräsentation, Book-Slam etc.
  • Medienkisten für alle Klassenstufen, auch schon für Kindergarten und Vorschule
  • Beteiligung an Aktionen wie dem Sommerferien-Leseclub in Bayern oder dem Online-Angebot Antolin.
  • Workshops für Eltern: „Besser in der Schule durch Vorlesen“ (steht die Veranstaltung unter dem Titel „Vorlesen für Kinder“, kommen weniger TeilnehmerInnen)

 

Effektives Lernen in und außerhalb der Schule ist ohne die Nutzung von Bibliotheken mit ihrem fachlich erschlossenen medialen Angebot, ihren Arbeitsplatzen und Lernbereichen, ihren Informationsmöglichkeiten in multimedialer Form kaum vorstellbar. Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken unterstützen die pädagogischen Ziele der Schulen, indem sie, orientiert am örtlichen Bedarf, Medien, Dienstleistungen und Informationen für die unterrichtliche Arbeit bereitstellen.

 

(1) Gute Beispiele sind in dem Band Bibliothek entdecken“ (Neckar Verlag) zu finden.

 

Weiterführende Literatur

  • Stadtbibliothek Villingen-Schwenningen (Hrsg): Bibliothek entdecken. Bibliotheksführungen für die Schule. Neckar Verlag 2012.

 

 

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