Dominika Meindl bloggt: Weltrettung zu Weihnachten. Konsum- und Diebstahltipps

Ein Mittelweg zwischen institutionalisierter Revolution und Literatur als kommerzieller Ware? Dominika Meinl rät zu kreativem Konsum bei der weihnachtlichen Geschenksbesorgung.

Kinder, was nervt dieser Kapitalismus! Bestimmt könnte ich fließend Mandarin oder zumindest postmodernen Ausdruckstanz, wenn ich nicht fortwährend über das System schimpfen müsste. Ich leide unter dieser Mehrfachbelastung (Arbeit, Haushalt, Systemkritik). Und ja, das gilt selbstverständlich auch für den Buchmarkt. Literatur als Ware, Autorinnen als Tupperware-Verkäuferinnen ihrer selbst, da steckt doch der Wurm drin. Die Planwirtschaft, auf der anderen Seite, ist gleichfalls ätzend. Im Oktober urlaubte ich in einer der letzten Bastionen des real existierenden Sozialismus. Ernüchternd, trotz des vielen Rums. Was bringt der Kommunismus für schiache Bücher hervor! Ich habe die arme Genossin Buchhändlerin sichtlich beleidigt, als ich in gebrochenem Spanisch fragte, ob es denn hier auch neue Bücher gebe. Sehr geehrter Herr Castro, ganz abgesehen von der staatlich verankerten Wehleidigkeit gegenüber Kritik und Opposition – das kann's dann bitte auch nicht sein.

 

Wo verläuft also der Mittelweg zwischen institutionalisierter Revolution und kommerzieller Kunst, zwischen speckigen Propagandaheften und glitzernder Belanglosigkeit? Angesichts der dräuenden stillsten Jahreszeit rate ich zu kreativem Konsum. Schenken Sie den Ihren Schas, als Zeichen Ihres Vertrauens. Meiner nichtrauchenden Ex-Erziehungsberechtigten habe ich vor einigen Jahren einen gülden lackierten Aschenbecher in Hundehaufenform überreicht. Sie revanchierte sich in der folgenden Heiligen Nacht mit einem Akkordeon spielenden Murmeltier, das auf Knopfdruck „Du blede Sau!“ quäkte.

 

Umgelegt auf Literaturbetrieb und Buchmarkt könnte das so aussehen: Der Schwester, die Yoga anheim gefallen ist und Nichtveganer eklig findet, kaufen Sie „König der Schweine“, das neue Buch von Saubartel Manfred Rebhandl. Dem zu Fleiß Hofer wählenden Vater schenken sie Anna Weidenholzers „Weshalb die Herren Seesterne tragen“. Der Erbtante, die monatlich den Untergang des deutschen Abendlandes ausruft, besorgen sie „broken german“ von Tomer Gardi. Der überfürsorglichen Mutti alles von Stefanie Sargnagel. Die Kinder sind praktisch mit jedem Buch bedient, das nicht von der Rowling ist. Mir schenken Sie Thilo Sarrazin oder das Gesamtwerk Paulo Coelhos.

 

Diese paradoxe Liebesbekundung ist das eine, der Geiz das andere. Zu Weihnachten kaufe ich alle Bücher, die selbst zu erwerben ich zu knausrig war. Ich verschenke sie pro forma und leihe sie mir gleich wieder selbst aus, nachdem ich die Empfänger ab 27. Dezember mit „Bist du endlich fertig mit meinem Geschenk?!“ molestiert habe.

 

So müsste es eigentlich klappen mit der Weltrettung. Apropos Tupperware-Verkauf, Konsumverzicht und „Zuneigung durch doofe Präsente“: Wenn Sie vor dem 24. Dezember noch einmal zum Möbel Leiner kommen, werden Sie vielleicht meine Bücher als Dekoration in den Regalen finden. Wir Schreibende können derlei Verramschungsdemütigungen nur als Aufforderung annehmen, ein robusteres Seelenleben zu entwickeln. Aber Sie möchte ich auffordern, im konkreten Fall zu stehlen wie die Raben.

 

Gastblogger/in

(c) Minkasia_privat

Dominika Meindl ist seit Juli 2016 Bundespräsidentin der Republik Österreich. Weiters ist sie Schriftstellerin, Journalistin, Poetry-Slammerin (als "Minkasia"), Moderatorin und Gründerin der Lesebühne „Original Linzer Worte“.  Veröffentlichungen: „Die Sau“ (Kehrwasser Verlag 2011) und „In der Heimat der Fußkranken“ (Edition Mokka 2011). Beiträge in Anthologien. 2014 erschien die Lesebühnentextsammlung „Original Linzer Worte“ (Milena Verlag). Betreibt das Blog „Die Frau mit recht wenigen Eigenschaften“ (http://minkasia.blogspot.com).

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