Lebe. Liebe. Leide

In der Bugwelle der Breitenwirkung von Kino-Ereignissen, die wie „Die Tribute von Panem“ auf Jugendbüchern basieren, erobern nun auch Filme die Leinwand, denen realistische und nicht phantastische (oder dystopische) Jugendromane vorausgehen.

AutorIn: 
Heidi Lexe


Zu den viel beworbenen Serien-Ereignissen des deutschen Free-TV zählt im Herbst/Winter 2015 auch der „Club der roten Bänder“ (als Grundlage dient „Glücksgeheimnisse aus der gelben Welt“ von Albert Espinosa, Goldmann 2013). Als erste fiktionale Eigenproduktion von VOX präsentiert, erzählt die Serie von sechs Jugendlichen, die auf der Kinderstation eines Krankenhauses eine Bande gründen (also einen Club, denn Bande klingt sowas von vorgestrig). Im Mittelpunkt steht offiziell bekundete Freundschaft und Loyalität, ein Solidarpakt, der aus einer Schicksalsgemeinschaft erwächst. Interessant ist die Platzierung der Serie: Sie wird nicht am Samstagnachmittag gezeigt, wo Jugendserien üblicherweise platziert werden, sondern während der Woche im Hauptabendprogramm.

 

All-Age-Angebote

Obwohl es also um jugendliche Figuren geht und damit implizit sicher auch jugendliche ZuseherInnen angesprochen werden, spielt „Der Club der roten Bänder“ sozusagen bei den Großen mit. Damit setzt sich auch im Serienformat jener so genannte All-Age-Trend fort, den das Buch schon länger kennt: Als Darstellungsgegenstand wird zwar das Leben und Erleben Jugendlicher gewählt; erzählt wird aber so, dass sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene je eigene explizite Signale gesendet werden.
 

Nach unterschiedlichen Variationen aus dem Bereich der Phantastik (vom Vampirwahn bis zur Dystopie) ist dieses literarische Phänomen mit John Greens Bestseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ seit einigen Jahren auch im realistischen Erzählen angekommen. Wie jeder Erfolgsroman zieht auch jener von John Green eine Vielzahl an Epigonen nach sich, die am Jugendbuch-(respektive All-Age-)Markt mit dem Label der Sick-Lit markiert werden.

Die Verfilmung von John Greens Roman über zwei krebskranke Jugendliche wurde also nicht (wie viele Jugendliteraturverfilmungen davor) für zwei bis drei Wochen lang verschämt im Nachmittagsprogramm einzelner Kinocenter gespielt. Sondern auch bei uns breit beworben und sowohl in Originalfassung als auch in deutschsprachiger Synchronisation über Wochen hinweg in ganz Österreich präsentiert. Und im Spätherbst (rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft) als DVD herausgebracht und zwar auch bei Oetinger kino, die nur über den Buchhandel vertrieben wird und Kinder- und Jugendfilme kostengünstig anbietet.

 

Motiv der Krankheit

„Es ist nicht traurig krank zu sein. Es ist traurig, nicht intensiv zu leben.“ Dieses Zitat aus „Der Club der roten Bänder“ mag als Leitmotiv für filmische Zugänge zum Thema Krankheit gelten: Wie aber lässt sich filmisch ein Leben umsetzen, wenn es sich gerade verlangsamt – ja mehr noch, zum Stillstand zu kommen droht?

Der irische Regisseur Ian Fitzgibbon setzt in „Death of a Superhero“ den Fokus auf das Handeln des Protagonisten Donald, der ebenfalls mit dem Schicksal einer Krebserkrankung kämpft. Im Roman von Anthony McCarten werden Donalds Schmerz und sexuelle Obsession an sprachlich nachgeahmte Comic-Passagen delegiert, der Film zeigt die dadurch ausgelösten Handlungen. Die Notwendigkeit, den Rest eines ganz normalen jugendlichen Lebens zu leben, wird kontrastiert durch Donalds Wut und Donalds Sehnsucht danach, dieses Leben überhaupt erst zu spüren. Ungeschönt wird sichtbar, wie Donalds Körper immer weniger und durchsichtiger wird, während sein Wunsch nach der ersten Liebe ins beinahe Unerfüllbare anwächst.

 

Österreichischer Roman als Film

Viel lauer und exaltierter marschiert Mae in der filmischen Adaption des Romans „Chucks“ durchs Leben und kann dem Motto „Lebe. Liebe. Leide.“ gar nicht offensiv genug nachkommen. Während Donald vielfach von ätherischen Singer-Songwriter-Klängen begleitet wird, heulen hier die Punk-Rock-Gitarren im wörtlichen wie übertragenen Sinn. Die in Maes Biografie verborgenen Verlusterlebnisse werden gleichermaßen an die Oberfläche gebracht, wie durch eine neue Liebe kompensiert. Denn diese neue Liebe entspringt dem Wagnis, sich mit einer Beziehung auch auf das Risiko des Verlustes einzulassen. Auch dieser österreichische Film ist viel plotorientierter als seine Romanvorlage (mit der Cornelia Travnicek große Aufmerksamkeit bekommen hat). Die Zwischentöne werden an das Spiel der beiden Hauptfiguren delegiert: Maes weite Bewegungen im Raum, in denen sich ihr anti-bürgerlicher Gestus erfüllt, werden zu zärtlichen Momenten verdichtet, als sie den aidskranken Paul kennen lernt.

 

Erfolgsrezepte?

Im Vergleich zu „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ kommt das filmische Nachfolgeprojekt viel unprätentiöser daher: Basierend auf einem früheren Roman des amerikanischen Erfolgsautors lief „Margos Spuren“ mit schon viel weniger öffentlicher Aufmerksamkeit in diesem Spätsommer in den Kinos. Nicht auf Sick-Lit basierend, folgt dieser Film seiner jugendlichen Hauptfigur zuerst in die Nacht und dann als Road-Trip in so genannte Paper Towns – also an Orte, die es eigentlich gar nicht gibt. Dabei wird die Romanvorlage auf unterschiedlichen Ebenen (und nicht nur auf jener des Plots) beeindruckend auf das filmische Erzählen übertragen. Wenn hier also Anfang Dezember die DVD erscheint, könnte dies die erste Wahl unter den genannten Filmen für den All-Age-Bereich der Bücherei sein.          

 

Literatur/Links

 

 

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